Kommentar Martin Schulz' Machtpolitik: Der Hinterzimmerkungler
Es ist noch nicht lange her, da schimpfte Martin Schulz laut auf die Hinterzimmer-Politik in Brüssel. Nun betreibt der EU-Parlamentspräsident sie selbst.
I m Europa-Wahlkampf wetterte Martin Schulz noch gegen die „Hinterzimmer-Politik“. Doch nun, eine Wahlniederlage später, sitzt Schulz selbst im Hinterzimmer des Europaparlaments und kungelt dort die neue EU-Kommission aus. Die Grünen werfen ihm sogar vor, ein Oberkungler zu sein – der Mann, der hinter den Kulissen die Fäden zieht, damit die Sozialdemokraten einem von Konservativen und Liberalen beherrschten Team zustimmen.
Nun müssen die Sozialdemokraten natürlich selbst wissen, wo ihre Schmerzgrenze liegt. Auffällig ist aber, dass Schulz sich so aktiv um die sozialdemokratische Zustimmung zum Team von Kommissionschef Jean-Claude Juncker kümmert. Dabei wäre das eigentlich die Aufgabe von Gianni Pittella, dem neuen Präsidenten der S&D-Fraktion, wie die Sozi-Truppe offiziell heißt.
Schulz ist Parlamentspräsident und sollte sich nicht als Cheflobbyist der Sozialdemokraten, schon gar nicht als Sachwalter der neuen Kommission sehen. Streng genommen wäre es sogar seine Aufgabe, auch die Interessen jener Parteien zu vertreten, die nicht der großen Koalition angehören – Grüne, Linke, aber auch AfD, Ukip und andere EU-Gegner.
Was treibt den Mann, der selbst Kommissionspräsident werden wollte und einen „Politikwechsel“ versprochen hatte? In Brüssel munkelt man von einem neuen Deal: Schulz sichert Juncker „seine“ Kommission, im Gegenzug sagt Juncker zu, mehr aufs Europaparlament zu hören. Und auf Schulz natürlich. Diese Art von Lobbyismus in eigener Sache würde zu dem Mann passen. Denn sein Machtinstinkt ist legendär. Schade nur, dass auch dieser Deal, der dem demokratisch gewählten Parlament mehr Einfluss verschaffen könnte, im Hinterzimmer ausgehandelt wird.
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