Kommentar Martin Schulz' Atomwaffen: Schade um die schönen Chancen
Schulz' Vorstoß zum Abzug von US-Atomwaffen verpufft. In den vergangenen vier Jahren hat die SPD nichts dazu unternommen und ihr fehlen Partner.
D er Wahlkampf könnte so spannend sein. Die Inhalte sind da, die Bruchlinien sind da, die Grundsatzfragen sind da. Der Vorstoß von SPD-Kandidat Martin Schulz, der als Kanzler die in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen loswerden will, ist da nur das jüngste Beispiel. Blöd allerdings, dass die Idee des Kandidaten bis zum Wochenende wohl längst verpufft sein wird. Aus dem Abzug wird nämlich auch unter der nächsten Bundesregierung nichts.
Seit knapp vier Jahren ist das Außenministerium jetzt in der Hand der SPD, gehandelt hat sie in der Sache nicht. Mit CDU und CSU hat sie sich stattdessen auf die Formel geeinigt, dass vor einem Abzug der Nuklearwaffen sich wiederum die USA auf ein Abrüstungsabkommen mit Russland einigen sollen. So hat sich die Bundesregierung geschickt vom Platz genommen: Die Atomwaffen in Deutschland sind Sache der anderen.
Gewährt man dem Quereinsteiger Schulz trotzdem einen Vertrauensvorschuss, bleibt die Frage, mit welchem Koalitionspartner er einen neuen Kurs umsetzen will. Die Union hätte den damaligen FDP-Außenminister Guido Westerwelle am liebsten in die Verbannung geschickt, als der es einst wagte, auf einen schnellen Abzug zu drängen.
Die FDP von heute hat das Ziel von damals längst aufgegeben und beschränkt sich in ihrem aktuellen Wahlprogramm auf die Forderung nach einem internationalen Abrüstungsabkommen. Bleiben Grüne und Linke, die sich im Wahlkampf für den „Abzug“ beziehungsweise für den „sofortigen Abzug“ einsetzen.
Mit Rot-Rot-Grün wäre der Atomwaffenabzug demnach möglich, mit der Perspektive eines Linksbündnisses würde Schulz’ Vorstoß tatsächlich eine neue Dynamik in den Wahlkampf bringen. Aber die Umfragewerte geben eine solche Koalition seit Monaten nicht her – und die drei Parteien haben die Option längst aufgegeben. Schlecht für ein atomwaffenfreies Land. Und schade um den schönen Wahlkampf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind