Kommentar Manipulation Krankenkassen: Eine Krankheit namens Geld
Die Idee eines sozialen Versicherungssystems bröckelt zusehends. Die jetzt bekannt gewordenen Manipulationen sind nur ein weiteres Syptom.
S tell dir vor, der Sozialstaat stirbt, und keiner guckt hin. Genau das passiert gerade in Deutschland, und sichtbar wird das an einem seiner empfindlichsten Teile, der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Nicht, dass sie jemals perfekt gewesen wäre. Zweiklassenmedizin gibt es durch die private Alternative der Versicherung schon lange.
Seit allerdings auch die GKVen in den freien Wettbewerb gezwungen wurden, bröselt die Idee einer echten sozialen Versorgung zusehends: Die jüngste Meldung, derzufolge sich vor allem kleinere Krankenkassen durch die Manipulation ihrer Diagnoseziffern finanzielle Vorteile für die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu erschwindeln versuchen, ist nur ein weiteres Symptom. Eines, das für sich genommen vielleicht nicht mal schlimm wäre – zumal die Erklärungen der Kassen über ihre absurd hohen Zahlen noch ausstehen. Wer am Ende gelogen hat, um sich zu bereichern, wird sich also noch zeigen.
Aber dieser neue Fall ist eben nicht das einzige Zeichen des Niedergangs. Hunderttausendfach werden den Versicherten jährlich Leistungen verweigert. Erst am Montag wurden Pläne der Kassen publik, künftig weniger Geld für die Prävention auszugeben. Gesundheitsminister Daniel Bahr will zudem die Schranke aufheben, die Geringverdienende angesichts der steigenden Beiträge zur GKV vor einer Flucht in die nur auf den ersten Blick günstigeren privaten Kassen schützt.
Kassen, die schon lange die Kranken und Alten dafür bluten lassen, dass sie krank und alt sind. Diese Entwicklung muss gestoppt werden. Denn tatsächlich fehlt den gesetzlichen Kassen ja nicht, worum sie feilschen: 1,2 Milliarden Euro Überschuss haben sie allein im ersten halben Jahr 2013 erwirtschaftet. Die Politik ist nun gefordert, sie von der Krankheit Geld zu heilen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge