piwik no script img

Kommentar Macron und EuropaHoffnungsvoller Bittsteller

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Emmanuel Macron hofft, dass Deutschland Frankreich als Partner in Europa braucht. Ob das auf Gegenseitigkeit beruht, bleibt offen.

Immer schön die Deckung oben halten Foto: reuters

I n einem Interview mit der französischen Tageszeitung Libération äußert sich der unabhängige Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron ausführlich zu seiner Vision von Europa. Er plädiert darin für soziale Harmonisierung und dennoch ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“, für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik und besseres Grenzmanagement, genauso wie für eine Flüchtlingspolitik, die sich am deutschen Beispiel orientieren solle. All dies soll unter dem Dach der erneuerten deutsch-französischen zusammenarbeit geschehen, so Macron, der ansonsten voll des Lobes für Angela Merkel, aber auch Martin Schulz ist. Im Rahmen der Wahljahr-Partnerschaft mit der Libération ist diese Erwiderung entstanden.

Hört, hört! Der aussichtsreichste Bewerber um die französische Präsidentschaft rührt die Werbetrommel für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Emmanuel Macron sagt, dass ein Europa gegen Deutschland nicht möglich sei und erinnert sogleich beinahe reflexhaft sentimental an die großen Zeiten der Partnerschaft zwischen den beiden Ländern.

Gemeinsam also sollen Frankreich und Deutschland dafür sorgen, dass Europa nicht zerfällt. Einen Kern bilden, an dem sich die anderen Staaten orientieren sollen. Die Deutschen müssten nur verstehen, dass sie Frankreich vertrauen könnten. Der gefeierte Shooting-Star bettelt förmlich um dieses Vertrauen.

Er wird wissen, dass das Frankreichbild in Deutschland nicht das beste ist. Ganz so schlimm wie über die vermeintlich faulen Griechen wird über die Franzosen zwar nicht gelästert, aber auch nicht viel weniger. Wenn es um das Exportdefizit Frankreichs geht, die Arbeitslosigkeit, vor allem die hohe Zahl von jungen Menschen ohne Beschäftigung, die Lebens- und Wochenarbeitszeit, dann fällt in Deutschland schnell und herablassend das Wort „Reformstau“.

Illusion der Augenhöhe

Kaum jemand in Deutschland, wo die wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahre die Basis nationalen Stolzes bilden, würde im Moment sagen, dass die beiden Länder auf Augenhöhe agieren. Wie Frankreich wirklich tickt, warum im Nachbarland eben vieles anders läuft als in Deutschland, das zu verstehen, fällt den Eliten in Deutschland immer schwerer, die Mehrheit interessiert es kaum.

Nein, das Vertrauen, das Macron sich wünscht, ist derzeit nicht zu haben. Auch wenn er ganz vorne auf den Zehenspitzen stünde, wäre es weiterhin Angela Merkels alleinige Entscheidung, ob sie den ungeliebten Schäuble zurückhalten und Frankreich die Illusion des Agierens auf Augenhöhe lassen würde.

Worauf Macron jedoch ganz richtig spekuliert, ist die Notwendigkeit für Deutschland, Partner zu finden. Die jüngste Vergangenheit hat bewiesen, dass kein einzelnes Land sich zum Hegemon des Kontinents aufspielen und dessen Krisen im Alleingang bewältigen kann. Macron bietet den Deutschen nun Frankreich als Partner an. Er hofft darauf, dass ihn sowohl Angela Merkel, als auch Martin Schulz mit offenen Armen aufnehmen werden. Augenhöhe ist das nicht.

Sicher, ein Europa gegen Deutschland ist nicht möglich. Nur, würde die nächste deutsche Kanzlerschaft ähnlich hoffnungsvoll wie Macron auf eine Wiederbelebung der Achse Paris-Berlin schauen? Und: Welches Europa ein französischer Präsident Macron gemeinsam mit Deutschland schaffen will, würden wir dann schon noch gerne etwas genauer wissen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Armer Macron… er hat noch Illusionen...

    „Er (Macron) plädiert darin für soziale Harmonisierung und dennoch ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik“

     

    Da kann er lange plädieren… Die deutsche Lohnentwicklung zeigt die deutlichsten Spuren des schrittweisen Untergangs der Sozialen Marktwirtschaft. Besondere Stichworte sind: Lohnquote, Globalisierung, Niedriglöhne, Niedriglohnfalle, Aufstocker. https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/03/29/die-schande-von-europa-deutschland-beutet-seine-arbeiter-aus/

    https://www.google.fr/search?q=reallohnentwicklung+europa-vergleich&sa=X&rlz=1C1MDNE_deFR472FR472&tbm=isch&tbo=u&source=univ&ved=0ahUKEwiS6K-isPHSAhUKuxQKHW6NDhYQsAQIGQ&biw=1280&bih=914#imgrc=vPWlAw5fhbKTGM

  • Ich lese da: "in Deutschland, wo die wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahre die Basis nationalen Stolzes bilden". Wirtschaftliche Erfolge dank eines jahrzehntelangen Lohndumpings und auf Kosten einiger Millionen unter der Armutsgrenze lebenden Mensche (Kinder!) : was veranlasst zu solchem Nationalstolz?

    • 6G
      64662 (Profil gelöscht)
      @mémoirecourte:

      Das durch die asoziale Agenda-Politik ausgelöste Strohfeuer dürfte bald ausgebrannt sein! Ich bin schon gespannt, welche Erzählung die neoliberalen Menschenfeinde dann anbieten werden! ("Die faulen Südländer haben es verbockt!"?)

       

      Hier ein ausgesprochen lesenswerter Artikel über die Geschmeidigkeit unserer "Wirtschaftsexperten": http://norberthaering.de/de/27-german/news/800-wirtschaftsweise-merkantilismus

  • 6G
    64662 (Profil gelöscht)

    In einem mittlerweile nicht mehr frei zugänglichen Artikel auf german-foreign-policy.com war am 26.01.2017 in einem Artikel unter dem Titel "Führer und Gefolgschaft" zu lesen:

     

    '"Es erschreckt mich, wie in Berlin seit Beginn der Euro-Krise über Frankreich gesprochen wird", sagt Kundnani: "Manche hochrangigen deutschen Beamten oder Think-Tank-Mitarbeiter reden geradezu mit Verachtung über die Franzosen: Sie finden sie lächerlich oder einfach dumm." Die Meinung sei weit verbreitet, "die Franzosen hätten keine Ahnung und müssten diszipliniert werden".'

     

    Der Franzose muss einfach wieder gehorchen lernen! ;->

  • Die taz schreibt:'dann fällt in Deutschland schnell und herablassend das Wort „Reformstau“.'

    Nun, nicht nur in Deutschland. Im Interview, auf das die taz Bezug nimmt, sagt Macron selbst: " Pour notre part, nous n’avons pas fait la totalité des réformes nécessaires pour renforcer l’économie française " und sieht genau darin eine Ursache für die Probleme in der deutsch-französischen Kooperation.

    Überhaupt herrscht in Frankreich mehr oder weniger Konsens, daß es so wie bisher nicht weitergeht. Daher sind auch die am meisten mit dem Establishement und dem Status quo identifizierten Kandidaten (Juppe, Sarkozy, Valls) bei den Vorwahlen der Konservativen wie auch der Sozialisten durchgefallen. Umstritten ist in Frankreich weniger, daß sich vieles ändern muß, als vielmehr die Frage, was sich in welche Richtung ändern muß.