Kommentar Luftverschmutzung in Madrid: Nur die Hälfte der PKWs fährt
„Ideologisch“ nennen konservative Politiker das Madrider Fahrverbot. Dabei sterben dort jährlich 2.000 Menschen an schlechter Atemluft.
M adrid prescht vor. Erstmals schränkt eine spanische Stadt den PKW-Verkehr erheblich ein, um der Luftverschmutzung Herr zu werden. Seit heute, Donnerstag, dürfen nur noch die Hälfte der PKWs den Innenstadtbereich befahren. Wessen Nummer mit einer ungeraden Zahl endet, kann an ungeraden Tagen das Auto benutzen, wessen Nummer mit einer geraden Zahl endet, an geraden Tagen. Bereits seit Mittwoch darf im Stadtzentrum nicht mehr geparkt werden und auf den Zufahrtsstraßen gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Damit will die Stadtverwaltung die überhöhten Stickoxidwerte senken.
Bürgermeisterin Manuela Carmena und ihre Ahora Madrid (Jetzt Madrid) – ein Bürgerbündnis rund um die Partei Podemos – trauen sich, was vorher niemand in Angriff nahm. Zwar gelten die europäischen Vorschriften zur Luftreinhaltung seit Jahren, doch die konservativen Vorgänger Carmenas unternahmen nichts. Seit 2010 wurden immer wieder zu hohe Stickoxidwerte gemessen. Madrid wurde von Brüssel mehrmals angemahnt, ein Ermittlungsverfahren wurde eröffnet, Millionen-Busgelder drohten. Doch die Konservativen redeten nur und taten nichts. Des Spaniers liebstes Kind, das Auto, in die Schranken zu weisen, das könnte schließlich Wählerstimmen kosten.
Auch jetzt versuchen die Kommunalpolitiker der Partido Popular (PP) von Spaniens Ministerpräsidenten Mariano Rajoy die Verkehrsbeschränkung zu nutzen, um Wählerstimmen zu fangen. Während Umfragen im Netz und Anrufe bei den Radiosendern der Hauptstadt zeigen, dass die Einwohner Madrids zum Großteil einverstanden sind, sprechen die Konservativen von „ideologischen Maßnahmen“. Carmena, die Madrid bis 2025 dieselfrei haben will, hätte prinzipiell etwas gegen den Privatverkehr und die Freiheit der Bürger.
Es ist eine mehr als zynische Haltung. Denn jährlich sterben alleine in Madrid 2.000 Menschen durch die schlechte Atemluft. Und Krebs und Atemwegsbeschwerden wie etwa Asthma fragen nicht, welcher Ideologie der Erkrankte angehört.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links