Kommentar Linkspartei: Gemütliche Doppelspitze
Realos und Fundis können gut miteinander die Partei verwalten. Aber für eine gemeinsame Vision zu streiten, haben sie sich noch nicht getraut.
D ietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht können nicht miteinander? Der Anführer der Realos und die Sprecherin der Fundis, ein Duo wie Feuer und Wasser? Die Spaltung der Linksfraktion, unter ihrer designierten Doppelspitze nur eine Frage der Wochen?
Überhaupt nicht. Dass sich Bartsch und Wagenknecht zusammenraufen können, haben sie längst bewiesen. Die Linkspartei hatte sich gerade in ihre Rolle als größte Oppositionspartei eingefunden, als die beiden im Frühjahr 2014 ein gemeinsames Strategiepapier veröffentlichen. „Wir sind DIE Opposition“ hieß der Aufsatz und las sich als eine Art Koalitionsvertrag zwischen den künftigen Fraktionsspitzen.
Eine Koalition, deren inhaltliche Grundlage allerdings dünn ist: „Wir nehmen positiv zur Kenntnis, dass die SPD eine Regierung mit uns nicht mehr ausschließt“, hieß in einem Satz. „Rot-Rot-Grüne Debatten sind wenig geeignet, unser Profil zu schärfen“, im nächsten.
Regieren ja, vielleicht aber auch nicht, und im Anhang noch eine Handvoll gemeinsamer Forderungen: Gegen die Rente mit 67, Bankenrettungen und TTIP.
Ohne große Konflikte
Eine Liste der kleinsten gemeinsamen Nenner, aus der sich jeder Parteiflügel herauslesen darf, was ihm am besten gefällt. Auf dieser Basis können Bartsch und Wagenknecht ihre Fraktion ohne große Konflikte verwalten, kann die Linkspartei gemütlich durch die restliche Legislaturperiode schippern.
Was dem Papier aber fehlt: Eine Idee jenseits des Dagegens, ein wirklich eigenes Profil und ein Hinweis darauf, wie die Linkspartei es eines Tages umsetzen könnte.
Aber auch das ist kein Wunder. Gemeinsame Visionen können Bartsch und Wagenknecht nicht im Vorbeigehen entwickeln. Schon gar nicht ohne größere Reibungsverluste. Aber ohne eine Strategie, hinter der sich beide Flügel versammeln können, tritt die Linkspartei im Bundestag auf der Stelle.
Die Aufgabe der neuen Fraktionschefs ist es, um einen gemeinsamen Plan zu streiten. Auch, wenn sie dafür die Komfortzone verlassen müssen.
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