Kommentar Linkspartei im Westen: Links, aber planlos
Manchmal sind Parteien besser als ihre Wahlergebnisse - und manchmal ist es umgekehrt - wie bei der Linkspspartei, findet Stefan Reinecke.
Manchmal sind Parteien besser als ihre Wahlergebnisse. Das kennt vor allem die SPD unter Schröder, die in Landtagswahlen nach 2003 gnadenlos für die Agenda-Politik bestraft wurde. Manchmal sind die Wahlchancen auch besser als die Parteien. Das gilt für die Linkspartei in Hessen und Niedersachsen, die dort gute Aussichten hat, ins Parlament einzuziehen - obwohl sie dort keineswegs über schlagkräftige, originelle Landesverbände verfügt.
Stefan Reinecke (48) lebt in Berlin-Kreuzberg, war früher Redakteur der taz-Meinungsseite und ist seit fünf Jahren Autor der taz. Er beschäftigt sich vor allem mit Innenpolitik, Parteien und Geschichtspolitik.
Die Linkspartei im Westen besteht aus den unvermeidlichen Altkadern, einigen enttäuschten Sozialdemokraten und den Resten der Anti-Hartz-IV-Bewegung. Die Parteispitze hoffte bei der Vereinigung, dass der neuen Partei Mitglieder zufliegen würden. Das blieb ein Traum. Die Mitgliederzahl stagniert, das soziale Spektrum blieb auf grauhaarige Gewerkschafter begrenzt. Ohne Lafontaine und die Finanzspritzen aus dem Osten hätte die WASG das Schicksal aller linken Abspaltungen von der SPD ereilt: der schnelle Tod.
Aber so ist es eben nicht. Die Linkspartei steht in den Umfragen im Westen gut da - nicht weil ihr Angebot so überzeugend ist, sondern weil die Nachfrage so groß ist. Die Linkspartei ist so populär, weil die SPD unter den Bedingungen verschärfter Globalisierung die Interessen von großstädtischer Mittelschicht und sozialen Absteigern nicht mehr unter einen Hut bekommt. Daran hat auch der eher rhetorische Linksschwenk der Beck-SPD nicht viel geändert. Deshalb gibt es trotz des teils kläglichen Zustands der Linken im Westen eine Klientel, die die Post-Schröder-SPD nicht mehr erreicht.
Die Linkspartei im Westen braucht Zeit, um sich zu finden. Das geht jeder sozialen Protestbewegung so, die sich auf den Marsch in die Parlamente begibt. Das Drama der Linkspartei in Hessen könnte allerdings sein, dass sie diese Zeit dort nicht bekommt. Es kann sein, dass sie dort Rot-Grün tolerieren müsste, um Koch loszuwerden. Die äußeren Bedingungen wären ideal: Denn die Ypsilanti-SPD will bei Bildung, Energie und Gerechtigkeitspolitik wirklich eine Wende. Doch die hessische Linkspartei scheint nicht in der Lage zu sein, Rot-Grün in Wiesbaden zu tolerieren. Wenn sie aber Koch stützt - es wäre ihre Entzauberung.
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