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Kommentar Landtag in Sachsen-AnhaltBlumen für Rechtspopulisten

Christina Schmidt
Kommentar von Christina Schmidt

Die Wahl eines AfD-Mannes zum Landtagsvize in Sachsen-Anhalt ist beängstigend. Es ist kein Ausdruck von Macht, mit dieser Partei zu spielen.

Neuer Landtagsvize mit Begrüßungspflanzen: AfDler Daniel Rausch Foto: imago/Christian Schroedter

E s war eine anständige Geste des Landtages in Sachsen-Anhalt, den frisch gewählten Vize-Landtagspräsidenten Daniel Rausch von der AfD mit Blumen in seinem Amt zu begrüßen. Ihn zu wählen, einen anderen aber nicht, ist hingegen ein Affront gegen alle, die versuchen, sich der Frage zu stellen: Wie gehen wir mit den Rechtspopulisten von der AfD um? Das Plenum in Sachsen-Anhalt war das erste der drei frisch gewählten, das zusammengekommen ist. Und es hat eine beängstigende Antwort gegeben.

47 von 87 Stimmen hat der neue Landtagspräsident Hardy Peter Güssau. Ihn stellt die größte Fraktion, die CDU. Als zweitstärkste Kraft durfte die AfD einen Stellvertreter vorschlagen – der war nicht nur im Vorhinein bei der CDU-Fraktion, und ausschließlich bei ihr, vorstellig geworden, sondern wurde auch prompt mit 46 Stimmen gewählt. Dabei hat die AfD selbst nur 25 Abgeordnete. Die Linke hat als drittgrößte Fraktion Wulf Gallert aufgestellt – der fiel im ersten Anlauf durch und bekam erst im zweiten Wahlgang ausreichend Stimmen. Es ist das erste Mal, das ein Kandidat für dieses Amt zunächst nicht gewählt wurde.

Das ist eine Kampfansage an die Linke. Und sie ist nicht nur unhöflich, sondern kommt auch zum falschen Zeitpunkt. Die AfD ist eine wuchtige Oppositionspartei, es hätte dem Parlament geholfen, ihr einen starken Oppositionspartner an die Seite zu stellen. Stattdessen stimmen Abgeordnete gegen Gallert – und das, nachdem bereits offensichtlich geworden war, welch mickriges, wackeliges Ergebnis sogar der Landtagspräsident selbst bekommen hatte. Nämlich nicht einmal alle Stimmen der angestrebten Koalition. Und auch nicht die der AfD.

Diese erste Sitzung zeigt, wie wenig es Landespolitiker interessiert, wenn Parteiführungen versuchen, sich von der AfD zu distanzieren. Vier Wochen hatten die Fraktionen seit der Wahl Zeit, um ganz praktische Strategien zu entwickeln, wie sie mit gewählten Populisten umgehen.

Kein stilles Abkommen

Jetzt zeigt sich: In Magdeburg wird es kein stilles Abkommen geben – wie damals in Baden-Württemberg, als sich der Landtag entschloss, die Republikaner zu ignorieren und damit zu schwächen. Schon gar keines wie den „Schweriner Weg“ des Landtags in Mecklenburg-Vorpommern, der festlegt, weder für einen NPD-Antrag zu stimmen noch gemeinsam auf Veranstaltungen aufzutreten.

Im Gegenteil: Jetzt lässt man sich vom Landtags-Vize der AfD sogar repräsentieren. Die Wahl war geheim, dennoch liegt die Vermutung nahe, dass die Stimmen für Rausch aus der CDU kamen. Das ist eine Ansage an die potentiellen Koalitionspartner SPD und Grüne – als wäre das ungewöhnliche Dreier-Bündnis nicht schon fragil genug. Der bisherige und vermutlich auch zukünftige Ministerpräsident Rainer Haseloff muss verhindern, dass manche die knappen Verhältnisse nutzen, um auch künftig AfD-Wünsche durchzusetzen.

Es ist kein Ausdruck von Macht, mit der AfD zu spielen. Denn mächtig wird dadurch nur die AfD selbst. Die hatte übrigens keine Blumen mitgebracht.

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11 Kommentare

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  • Wahlen hält man ab, damit der Wille des Souveräns (das Volk) möglichst gut abgebildet wird. Wenn jetzt ein Viertel des Volkes nicht so wählen, wie man es selbst gerne hätte, muss man das in einer Demokratie trotzdem aushalten. Diese Diskussionen, ob die AfD bei 25 % Zustimmung denn den Vize im Landtag stellen darf, sind unerträglich und erinnern mich an faschistoide Zustände. Setzt Euch mit der AfD ausseinander. Knallköpfe gibt es in jeder Partei, aber am Programm kann ich nichts finden, dass nicht alle in meinem Bekanntenkreis unterstützen würden.

  • Zu "Die AfD hat ihren Kandidaten problemlos durchgebracht, wie es im parlamentarischen Konsens üblich ist.

    Dafür hatte die AfD aber nicht den Anstand, die Kandidaten der anderen Parteien auch zu unterstützen. Sie hat ihren eigenen Kandidaten mitwählen lassen, den anderen aber die Stimme der demokratischen Gepflogenheit verweigert." Der Vorwurf ist berechtigt, muß sich aber genauso auch gegen die Linkspartei richten. Tatsächlich legen die Stimmenzahlen die Vermutung nahe, daß die Linksparteiler zuerst sowohl dem CDU-Kandidaten (der anscheinend nur die Stimmen der Koalitionsabgeordneten bekam) als auch dem AfD-Kandidaten die Stimme verweigerten, anschliessend jedoch erwarteten, daß ihr eigener Kandidat zumindestens die Stimmen der CDU bekommen würde. Etwas dreist ist das schon.

    • @yohak yohak:

      Die Tatsache, dass man eher gewillt ist, einen AfDler zu wählen als einen von der Linken, reicht mir, um mich in meiner Meinung von der CDU und der sogenannten Mitte bestätigt zu fühlen. Man weiß schon, mit wem man spielt und mit wem lieber nicht...

      • @Karl Kraus:

        Sie haben offenkundig den Vorgang nicht verstanden, oder wollen ihn vielleicht auch nicht verstehen.

         

        Es ging hier nicht um die politische Einstellung, die Linkspartei hat zuerst ihre Stimmen enthalten (wie es sich nun mal nicht gehört) und das nicht nur der "bösen" Afd sondern auch der CDU. (Was mal wieder Bände spricht über das demokratische Verständnis dieser Partei) Als Antwort darauf bekam sie selbst einen Wahlgang lang nicht die Stimmen dieser Parteien, quasi als freundlichen Hinweis.

         

        Kann man nun nicht toll finden, aber definitiv war die Linke der Auslöser.

  • Ich gewinne immer mehr den Eindruck, das es ein Fehler ist sich an der Radikalisierung der politischen Seiten zu beteiligen. Man kann in der heutigen Zeit mit einer Partei wie der Afd nicht genauso umgehen wie mit NPD oder Republikanern. Denn die werden einfach nicht so wahrgenommen, wie NPD und Rep. sondern sind für einen großen Teil der Bevölkerung soetwas wie die CSU anfang/mitte der 90er. Die wurden immer als ein besonders rechter Teil der CDU gesehen, aber eben noch nicht so krass wie die ganz Rechten. Ich merke in meinem Umfeld, das die Afd in den Empfindungen der Bürger eben eher diese Rolle einnimmt. Ignoriert man die jetzt einfach Stumpf, dann werden diese Wähler die zwar Rechts denken aber noch längst nicht Radikal sind, an die Partei gebunden und der weg ist frei diese Leute langsam aber sicher auf "Linie" zu bringen. Ich halte solch eine Vorgehensweise für Gefährlich, und was das für Folgen hat, sieht man an PEGIDA. Da hat man auch alle einfach in die Rechte ecke gestellt, die haben sich dann als rechts verstanden und nun läuft Erwin der sich nie für Politik intressiert hat, aber besorgt ist, neben Glatzen Dieter und muss sich seine rechten Parolen geben. Gleichzeitig wird er von anderen auch als Rechts beschimpft, also fängt er an sich auch Rechts zu fühlen.... Ich finde diesen Fehler sollte man nicht wiederholen, und nicht den Leuten die die erste falsche Abfahrt genommen haben sofort hinterher Winken. Vieleicht dreht er bei der nächsten abfahrt auch um, wenn wir weiter mit dem Sprechen...

    • @redhad:

      Warten wir doch einfach mal ein paar Monate ab. Die AfD wird sich genauso entlarven wie die DVU. In Brandenburg betätigte sich einer der Abgeordneten als Karikaturist, und meinte eine antisemitische Karikatur produzieren zu müssen (interessant übrigens, dass SOWAS kaum überregional verichtet wird), und das war ganz gewiss nicht der letzte Fall

  • "Die Linke hat als drittgrößte Fraktion Wulf Gallert aufgestellt – der fiel im ersten Anlauf durch und bekam erst im zweiten Wahlgang ausreichend Stimmen. Es ist das erste Mal, das ein Kandidat für dieses Amt zunächst nicht gewählt wurde."

    Nö, ich erinnere an den Bundestag 2005, als die Wahl von Lothar Bisky nach dem 3. Durchgang abgebrochen wurde, da er nicht die erforderlichen Stimmen erhielt.

  • Möglicherweise sind Sie gegen die Demokratie, wie sie in Deutschland praktiziert wird: Die AfD ist in S-A die zweite politische Kraft geworden. Was ist denn selbstverständlicher als, dass sie auch einen Landatagsvizepräsidemten stellt? Auf der anderen Seite bedauern Sie, dass die Ex-Kommunisten erst im zweiten Wahlgang ihren Kanditaten durchbrachten. Das gibt's, in der Demokratie! Leiden Sie etwa an Demokratophobie.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Alexas Alexander:

      Es ist ein Kommentar. Seine Autorin hat Recht auf ihre Meinung. Gehört wohl auch zur Demokratie.

    • @Alexas Alexander:

      Offenkundig haben Sie nicht verstanden, worum es hier geht. Interessant auch, dass Ihr Demokratieverständnis offenbar parteigebunden ist, sonst hätten Sie den Vorgang, nämlich dass der Kandidat der Linken zunächst durchfiel, nämlich kritisiert.

    • @Alexas Alexander:

      Das Problem ist genau umgekehrt:

      Die AfD hat ihren Kandidaten problemlos durchgebracht, wie es im parlamentarischen Konsens üblich ist.

      Dafür hatte die AfD aber nicht den Anstand, die Kandidaten der anderen Parteien auch zu unterstützen. Sie hat ihren eigenen Kandidaten mitwählen lassen, den anderen aber die Stimme der demokratischen Gepflogenheit verweigert.

      Für eine konstruktive Teilnahme der AfD am demokratischen, parlamentarischen Betrieb ist das jedenfalls kein gutes Vorzeichen.