Kommentar Kurden-Demo in Köln: Mustergültige Gelassenheit
Politik und Medien haben gelassen auf das Fest reagiert. Schade, dass das nicht immer so ist, wenn Einwanderer für ihre Sache auf die Straße gehen.
T iefenentspannt bis verständnisvoll, andere eher gleichgültig bis desinteressiert – so haben Politik und Medien auf die Großkundgebung von 30.000 PKK-Anhängern am Samstag in Köln reagiert. Niemand ließ sich davon aus der Ruhe bringen, kaum jemand fühlte sich davon gestört. Und das ist auch gut so, denn die Demonstranten hielten sich ganz überwiegend an Recht und Gesetz.
Vom CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer war diesmal nicht zu hören: Wer sich in der türkischen Innenpolitik engagieren wolle, könne „gerne unser Land verlassen“. Der CDU-Lautsprecher Jens Spahn verzichtete darauf, die Kurden anzublaffen, „unser Präsident“ heiße Gauck und nicht Öcalan, und die Kanzlerin stellte die Loyalität der Deutschkurden nicht infrage. Selbst die Grünen blieben leise. Cem Özdemir nutzte den Anlass nicht, um vor einer „kurdischen Pegida“ zu warnen, und Volker Beck verlangte von den Tausenden Pro-Öcalan-Demonstranten auch kein „klares Bekenntnis zur Demokratie“.
Dabei konnte man den Reden in Köln entnehmen, dass viele dort terroristische Gewalt in bestimmten Fällen für entschuldbar halten. Doch Linken-Chef Riexinger forderte sogar unverdrossen, die PKK in Deutschland wieder als legale Kraft zuzulassen: ein steiler Vorstoß in einer Zeit, in der sich die PKK in der Türkei wieder offen zu blutigen Anschlägen bekennt.
Erstaunlich, wie entspannt die deutsche Öffentlichkeit reagiert, wenn ein deutscher Politiker offen Sympathien mit einer hierzulande verbotenen Terrororganisation äußert, die in einem Nato-Partnerland einen bewaffneten Kampf führt. Das muss man aushalten, es gehört zur Meinungsfreiheit dazu. Es wäre aber schön, wenn man in Deutschland auch sonst so entspannt reagieren würde – etwa, wenn Menschen gegen einen vereitelten Putsch und für das gewählte Staatsoberhaupt eines verbündeten Landes auf die Straße gehen – egal, ob einem dieses nun gefällt oder nicht. Sonst macht man es all jenen zu leicht, die deutschen Politikern und Medien einen doppelten Maßstab vorwerfen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet