Kommentar Kritische Islamkonferenz: Man darf auch konservativ sein
Den Teilnehmern der „Kritischen Islamkonferenz“ gehen die zahlreichen Privilegien für Religionsgemeinschaften zu weit. Damit sind sie im Unrecht.
U nter den Menschen, die aus muslimischen Ländern nach Deutschland gekommen sind, gibt es viele, die religiös eher ungebunden sind. Die Islamkonferenz, zu welcher der Innenminister jedes Jahr einlädt, trägt dieser Tatsache Rechnung: Die Mehrheit besteht dort aus ausgewählten Einzelpersonen, die vom Minister persönlich geladen werden. Die Vertreter der großen Islamverbände stellen nur eine Minderheit.
Den Teilnehmern der „kritischen Islamkonferenz“, die sich am Wochenende in Berlin trafen, geht selbst das schon zu weit. Sie stört, dass das deutsche Grundgesetz den Religionsgemeinschaften zahlreiche Privilegien zugesteht, die auch den konservativen Islamverbänden zugute kommen.
Statt aber die deutsche Verfassung infrage zu stellen, konzentrieren sie sich lieber darauf, den Konservatismus dieser Islamverbände zu kritisieren. Das ist viel einfacher, denn darüber lässt sich schnell Einigkeit erzielen.
ist Redakteur im Inlandsressort der taz.
Schön, dass sich die „kritische Islamkonferenz“ inzwischen von rabiaten Muslimhassern abgrenzt. Das war nicht immer so. Doch ihr Motto „Selbstbestimmung statt Gruppenzwang“ klingt nur oberflächlich gut. Denn was Selbstbestimmung ist, möchte man am liebsten selbst bestimmen. Die eigenen Ansichten schwerer zu gewichten als die jener Menschen, die sich aus freien Stücken einer Religionsgemeinschaft zugehörig fühlen, spricht aber für ein merkwürdiges Demokratieverständnis: Es ist blanker Paternalismus.
Man muss die konservativen Islamverbände nicht mögen. Aber man kann ihren Mitgliedern nicht absprechen, ihre Religion so zu leben, wie sie es wollen. Man darf hierzulande auch als Muslim konservativ sein – die Islamverbände stehen damit ganz auf dem Boden der deutschen Verfassung. Bei manchem „Islamkritiker“ kann man sich da nicht so sicher sein.
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