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Kommentar Krise in GriechenlandDas Hoffen auf Papandreou

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die griechische Protestbewegung hat keine Vorstellungen entwickelt, wie das Land reformiert werden kann. Besonders die konservative Opposition war ein Totalausfall.

S elbst wohlmeinenden Deutschen reißt inzwischen der Geduldsfaden: "Europa gibt Milliarden - und was machen die Griechen? Sie streiken schon wieder!" Diesen genervten Beobachtern stößt vor allem auf, dass die griechischen Demonstranten keinerlei konstruktive Vorschläge entwickeln.

Die Gewerkschaften und "Empörten" sind gegen die Sparpakete der Regierung Papandreou - aber eine eigene Lösung haben sie nicht anzubieten. Stattdessen richten sie sich in ihrer Rolle als Opfer ein.

An dieser Tirade ist zumindest richtig, dass die griechische Protestbewegung bisher keine Vorstellungen entwickelt hat, wie das Land zu reformieren ist. Es herrscht allgemeine Sprachlosigkeit.

Bild: taz

ULRIKE HERRMANN ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Trotzdem wäre es unfair, diese Armut an Ideen den Demonstranten anzulasten. Denn bisher wurden sie von der Politik allein gelassen. Vor allem die konservative Opposition war ein Totalausfall. Sie benahm sich im griechischen Parlament, als hätte sie die Sitzblockade neu erfunden.

Von den Konservativen kam nicht ein einziger konstruktiver Vorschlag. Stattdessen schalteten sie auf Obstruktion, obwohl sie unter ihrem Ex-Premier Karamanlis einen großen Teil jener Kredite aufgenommen haben, die Griechenland nun in die Pleite treiben.

Die griechische Gesellschaft droht zu zerfallen und vom gegenseitigen Misstrauen zerfressen zu werden. Daher wäre es klug, wenn Papandreou seinen Rücktritt anbietet, um eine Regierung der nationalen Einheit zu erzwingen.

Sollte tatsächlich eine Allparteienregierung zustande kommen, wird sie allerdings vor einem Problem stehen, das auch die Demonstranten außerhalb des Parlaments so sprachlos macht: Griechenland ist wirklich pleite. Da helfen auch keine Sparprogramme.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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7 Kommentare

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  • K
    kettensprenger

    Ich stimme Herrn Goldammer zu:

     

    Frau Herrmann, was muß geschehen, damit Sie sich Lösungen wie bandbreitenmodell.de/vision öffnen, statt immer nur zu kritisieren?

  • KK
    Karl Krise

    Frau Hermann, ich glaube nicht das die Griechen auf Papandreou hoffen. Soll der Georgios die EU, EZB und Finanzmaerkte reformieren? Dagegen ist ja Griechenland ein Kinderspielplatz.

  • KG
    Karl Gernholz

    Euroshima

     

    Sehr geehrte Frau Herrmann,

    ich schätze Ihre journalistische Aufklärungsarbeit bei der taz sehr, dennoch vermisse ich die letzte Konsequenz bei Ihnen und übrigens auch bei der taz. Es fehlt die klare Botschaft an den Bürger. Sie und die taz erreichen immer nur die gleichen Personenkreise, die politisch interessierten, die Linksintellektuellen, journalistische Kollegen, den „Verfassungsschutz“ oder die Späher der Marktradikalen Parteien. Sie wollen doch die Welt mit Ihren Beiträgen zum besseren verändern, also dürfen Sie nicht nur für sich selber schreiben oder reden. Sie müssen Herrn Schulze und Frau Meier erreichen. Sie und die taz argumentieren tendenziell richtig, jedoch kommen Sie nie auf den entscheidenden Punkt. Die Wurzel des Übels wird von Ihnen geschickt eingekreist, die letzte Konsequenz aber nicht benannt.

     

    Sie werfen den griechischen Demonstranten vor, dass sie keinerlei konstruktive Vorschläge entwickeln. Das kann nicht wirklich ernst von Ihnen gemeint sein. Die Täter der Finanzkrise in Griechenland und nicht nur dort, sondern in ganz Europa sind namentlich bekannt. Die Lösung der Krise ist ebenfalls ganz simpel: Die Oberschicht, sprich die Kriminellen in Politik, Wirtschaft und Banken gehören für immer in Sicherungsverwahrung. Ihnen gehört das ergaunerte Privatvermögen abgenommen und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Die Verantwortlichen mit ihren millionenschweren Vermögen gehören zur Rechenschaft gezogen. Das ist der konstruktive Vorschlag der Griechen den Sie nicht erkennen.

     

    Sie glauben doch nicht wirklich, dass ein notwendiger Angriff auf die Globalvernetzte kriminelle Kaste friedlich gestaltet werden kann. In unserem Land werden Hartz 4 Empfänger erschossen. Die Mächtigen zerstören ganze Staaten z.B. Griechenland. Nun wollen die namentlich bekannten Täter, die Armut aus Deutschland nach Griechenland exportieren und im Gepäck der apokalyptische Reiter die Privatisierung. Der konstruktive Vorschlag, den Sie vermissen lautet ganz einfach: Das Problem ist die Oberschicht und die gehört aus der Gesellschaft entfernt. Egal wie.

     

    Der Physiker Gustav Krüger schreibt in der Preußischen Allgemeinen Zeitung am 11.06.2011, Zitat: „Wir leben in einem Irrenhaus und wie in einem richtigen Irrenhaus merken die Insassen nicht, dass sie in einem Irrenhaus leben.“

     

    Sartre schrieb 1947: “Ich gebe zu, dass Gewalt in welcher Form sie sich auch immer äußert, ein scheitern ist. Aber es ist ein unvermeidbares scheitern, weil wir in einer Welt der Gewalt leben, und wenn es wahr ist, dass der Rückgriff auf Gewalt gegen Gewalt sie zu verewigen droht, so ist auch wahr, dass sie das einzige Mittel ist, sie enden zu lassen.“

     

    Was im Maghreb, im nahen und mittleren Osten und in der arabischen Welt derzeit an Widerstandsbewegungen passiert, ist in Europa vor allem in Deutschland schon lägst überfällig. Die Diktatoren sitzen in der westlichen Welt. Mubarak, Gaddafi, Assad und all die anderen, werden vom Westen bezahlt und unterstützt. Wir müssen bei uns anfangen die wirklichen Schurken zu enttarnen und hinter Schloss und Riegel zu bringen. Die Wurzel des Übels liegt im Westen. Wenn wir in Europa uns weiterhin von diesem regierenden asozialem kriminellen Gesindel in der Oberschicht unterdrücken und belügen lassen, werden wir niemals das 21. Jahrhundert der Menschlichkeit erreichen und genau das brauchen wir um aus all den Krisen herauszukommen.

     

    Wir befinden uns in Europa im geistigen Mittelalter. Sie können doch nicht wirklich auch nur einen einzigen der Protagonisten aus SPD, Grünen, CDU und FDP ernst nehmen. Unser Land, mit dem man sich vor nicht allzu langer Zeit, noch identifizieren konnte, ist zum Spielball der geistigen Krüppel der Oberschicht geworden. Es wird langsam Zeit, den Aufstand zu realisieren.

     

    Der Gegenwärtige Zeitgeist ist von Egoismus und Profitgier geprägt. Das ist zutreffend und wird den Bürgern seit vielen Jahren erbarmungslos von den marktradikalen in Wirtschaft und Politik als Heilsbotschaft verkauft. Das Ergebnis sind viele einzelne Krisen, die sich in der Addition zu einer substanziell gefährlichen Metakrise globalen Ausmaßes verdichtet haben. In den finanziell schwächsten Bevölkerungsgruppen weltweit, wurde ein Blutbad angerichtet und individuelle Lebensbiografien und Lebensgrundlagen zerstört. Die pervertierte Denkweise unserer nationalen und internationalen „Eliten“, hat nicht nur den Menschen großen Schaden zugefügt, sondern den gesamten Planeten gegen die Wand gefahren.

     

    Der Bruch des Maastricher Vertrages, war der Beginn von Euroshima. Entgegen des Vertrages wurde Europa zur Transferunion. Jean- Claude Trichet hatte entscheidenden Anteil daran und Deutschland belohnt ihn auch noch für seine Antistabilitätspolitik mit dem Aachener Karlspreis.

     

    Zitat von Jean- Claude Junker:

    „Wenn es Ernst wird, müssen wir die Bevölkerung belügen.“

     

    Belogen und Betrogen wird der Bürger nun schon seit dem Mauerfall.

    Sie und die taz sollten die Widerstandsbewegungen unterstützen und in Europa forcieren. Auch in Talkrunden sollten Ihre Statements klarer und deutlicher werden. Sie müssen den Bürger, der langsam erwacht schützen und ihn nicht, wenn er auf die Straße geht auch noch den Wind aus den Segeln nehmen.

  • L
    Leonce

    Man stelle sich bitte mal vor, hierzulande bräche in einem halben Jahr eine vergleichbare öffentliche Pleite aus, weil Deutschland sich komplett übernommen hätte, in seinem Größenwahn Europa komplett gegenzufinanzieren; China und IWF böten sich an gegen Privatisierungsdiktate entsprechende Kredite zur Verfügung zu stellen, mit deren Zinsabzahlung jede zukünftige Gewerkschaftsforderung sofort abgeschmetttert werden würde. Vermutlich würden die Deutschen sogar das nocb widerstandslos schlucken, mal abgesehen vom üblichen Gejammer und Genöle im Feuilleton und der Journaille. Also bin ich nicht wirklich überrrascht, dass die Fronherrschaft ihre Wurzeln im Römischen Reich deutscher Nation hat, während die Demokratie glücklicherweise aus Griechenland stammt.

  • CH
    Christian Hofmann

    Wenn es der EU Ernst ist mit der Rettung Griechenlands, sollte sie nicht bloß Care-Pakete schnüren und dafür Sparmaßnahmen erzwingen, sondern v.a. - natürlich in Absprache zwischen Brüssel und Athen - gezielte Investitionen in Griechenland tätigen: z.B. auch in erneuerbare Energien, Bildung, Infrastruktur, Gebäudesanierung. Indem so in die Zukunft der griechischen Gesellschaft investiert wird (ein "Greek New Deal" quasi), könnte gleichzeitig die Wirtschaft gestärkt, Arbeitsplätze geschaffen und dadurch langfristig auch die Steuereinnahmen erhöht werden.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Ach, Ideen haben die schon! Nur ob sie den Superreichen dieser Welt gefallen? Das neoliberale System steht vor der Frage: Untergang oder gerechtere Verteilung der erwirtschafteten Gewinne.Und warum wurde den Verbrechern in den Rating Agenturen noch nicht das Handwerk gelegt? Wieviel Geld wir auch immer in das System pumpen. Es wird verloren sein! Weil die Regeln grottenschlecht sind. ULRIKE HERRMANN, mit Ihrem Horizont werden sie das nicht sehen können. Bilden Sie sich weiter!

  • CP
    Costa Pallas

    sowohl Pasok als auch die Konservativen werden die Situation nicht verändern.Es wird Zeit das die KKE endlich die Macht ubernimmt und die Neoliberalen Globalisten verjagt.Das griechische Volk wird aufstehen und den Neoliberalen Kapitalisten den Todesstoß versetzen!

     

    Angst wird umgehen die Finanzmärkte werden zusammenbrechen Staatspleiten:Irland ,Portugal,Bulgarien,Spanien und Italien undauch deren Regierungen werden verschwinden 2008 der Crash an den Finanzmärkten war dagegen nur "Peanuts"...