Kommentar Krise in Ägypten: Ein Putsch – nichts anderes
Viele Gegner des ägyptischen Präsidenten Mursi freuen sich über die Unterstützung des Militärs. Doch das ist ein großer Fehler.
D ie gegenwärtige Lage in Ägypten ist mit „komplex“ falsch beschrieben. Es ist komplizierter. Gleich mit zwei Ultimaten ist der von den Muslimbrüdern stammende Präsident Mohammad Mursi angezählt.
Zunächst hatte ihm die Rebellenbewegung Tamarud bis Dienstagnachmittag um 17 Uhr gegeben, bevor sie eine Kampagne des zivilen Ungehorsams starten will. Dann meldete sich Ägyptens Militär zu Wort und gab beiden Seiten 48 Stunden um die politische Krise zu lösen, ansonsten würden die Streitkräfte ihren eigenen Fahrplan vorlegen und durchsetzen.
Auch wenn die Militärführung betont, dass es sich dabei nicht um einen Staatsstreich handelt. Seinen eigenen Fahrplan durchzusetzen, bedeutet einen Putsch und nichts anderes. Viele der Tamraud-Demonstranten begrüßen die Schützenhilfe des Militärs. Und doch ist es ein Unterschied, wer dem Präsidenten das Vertrauen entzieht.
ist Ägypten-Korrespondent der taz.
Ist es die Straße in Massendemonstrationen, die die Anzahl jener übersteigt, die damals Mursi in einer demokratischen Wahl ihre Stimme gegeben haben, ist es etwas anderes als wenn die Generäle das tun. Passiert beides gleichzeitig, dann haben wir eine Situation wie heute in Ägypten. Und die Frage ist: Unterstützt das Militär das Volk oder nützt es die Demonstrationen aus, um seine eigenen Interessen durchzusetzen? In anderen Worten: Stiehlt das Militär die Revolution zum zweiten Mal, wie es das nach dem Sturz Mubaraks mit der Herrschaft des obersten Militärrates getan hat? Eine Militärführung als Bündnispartner gegen die Islamisten sollte auf jeden Fall mit Vorsicht genossen werden.
Und bei all dem darf man nicht vergessen, dass die Muslimbrüder stark sind. Vielleicht nicht stark genug, um ihren Präsidenten nun gegen Tamarud und das Militär halten zu können, aber sicher stark genug, um Ägypten ins Chaos zu stürzen.
Die Warnung vom Muslimbruder Führungskader Muhammad El-Beltagi ist daher ernst zu nehmen, wenn er sagt, dass ein Staatsstreich gegen die Legitimität des gewählten Präsidenten nur über die Leichen der Muslimbrüder laufen werde. Ein angezählter Präsident und in die Ecke gedrängte Muslimbrüder können Ägypten gefährlich werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml