Kommentar Krise der Winterspiele: Kim rettet die olympische Idee
Die olympischen Winterspiele verlieren immer mehr an Bedeutung. Jetzt brauchen sie sogar schon Nordkoreas Diktator als Legitimation.
A uf dicke Hose machen gehört beim Internationalen Olympischen Komitee zur Kernkompetenz: Mit der Verheißung von Geringerem als „Völkerverständigung“ oder „Weltfrieden“ sind noch nie Sommer- oder Winterspiele über die Bühne gegangen.
Wenn heute im südkoreanischen Pyeongchang wieder einmal das Feuer entzündet wird, dürften die Herren vom IOC noch eine Schippe drauflegen: Sogar für eine Wiedervereinigung Koreas taugt Olympia! Wer’s glaubt, soll’s glauben.
In Wirklichkeit jedoch ist es nur noch der Zwist zwischen Süd- und Nordkorea, der dem IOC hilft, wenigstens ein bisschen Legitimation für seine Show zu beschaffen; faktisch ist Kim Jong Un der Retter der olympischen Idee. Denn dass es hier um irgendwelche höheren Werte geht, verdankt Olympia der Bereitschaft des nordkoreanischen Diktators, international zweitklassige Eishockeyspielerinnen ins südkoreanische Olympiateam zu schmuggeln. Dabei sein ist alles.
Die Bedeutung, die der abwesende Kim Jong Un für die Spiele von Pyeongchang hat, zeigt, wie unbedeutend das Ereignis mittlerweile ist. Anfang der neunziger Jahre hatte das IOC noch den Takt erhöht. Winterspiele fanden nicht mehr im Jahr der Sommerspiele statt, sondern alternierend: zwei Jahre so, zwei Jahre so. Der ökonomische Wert Olympias sollte gesteigert werden, das IOC wollte mit Winterspielen, die im gleichen Jahr wie die Fußball-WM stattfinden, die Konkurrenz des Fußballweltverbands schwächen. Nicht die Fifa sollte den großen Batzen an Fernsehgeldern einstreichen, sondern das IOC, das war der Plan.
Der ist nicht aufgegangen: Gerade mal die Sommerspiele können noch als teure Marke mit den Fußballern mithalten. Winterolympia jedoch steht auf der Kippe, und spätestens in vier Jahren wird das nicht mehr zu übersehen sein: Dann wird Peking als Gastgeberstadt für Skifahrer, Eistänzer und Bobpiloten fungieren. Eine Stadt also, die als Wintersportort nur geringfügig glaubwürdiger ist als, sagen wir, Katar, wo im gleichen Jahr Fußball gespielt wird.
Olympia ist Katalysator für Autoritäre
China, Katar und ein starkes Nordkorea – der Verdacht, dass im Weltsport nur noch autoritäre Regime auftrumpfen können, liegt nahe. Zwar bewerben sich um die Winterspiele 2026 außer Kasachstan vermutlich mit Österreich und der Schweiz auch zwei Demokratien.
Wenn jedoch früher noch leidlich überzeugend argumentiert werden konnte, Olympia sorge für Weltoffenheit, stimmt das längst nicht mehr: Demokratische Mitspracherechte an Stadt- und Kommunalentwicklung werden ausgehebelt, weil das IOC und die berühmten Sachzwänge keine Wahl lassen; Olympia als Katalysator für Gentrifizierung und gegen Demokratie. Zudem kann ein Ausrichterstaat beinahe ohne gesellschaftlichen Widerspruch seinen Sicherheitsapparat aufrüsten – ein terrorgefährdetes Weltevent lässt jeden Kritiker verstummen.
Für eine bessere Welt stehen Olympische Spiele nicht mehr. Kim Jong Un kann es bestätigen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden