piwik no script img
taz logo

Kommentar Kriegsprofiteure IrakDer politische Sieger heißt Iran

Politisch war der Irakkrieg für die US-Amerikaner ein Desaster. Der Umbruch der arabischen Welt erfolgte in Eigenregie.

Es dauerte nur 26 Tage, bis Saddam Husseins Armee besiegt und aufgelöst war. Bild: reuters

M ilitärisch gesehen, war der Irakkrieg aus US-amerikanischer Sicht ein Erfolg. Es dauerte nur 26 Tage, bis Saddam Husseins Armee besiegt oder aufgelöst war. Beim zweiten Planziel, der Durchsetzung der politischen Ziele, erwies sich das Irak-Abenteuer allerdings auch für Washington als ein Desaster.

Am meisten hat nämlich der Iran von dem Krieg profitiert. Die Amerikaner schalteten freundlicherweise ihren größten Gegner aus, und Teheran stellte daraufhin sicher, dass in Bagdad eine iranfreundliche Regierung an die Macht kam und auch blieb. Das gelang mithilfe der schiitisch islamischen Parteien im Irak und mit einem effektiven proiranischem Netzwerk, das sich vor allem aus den engen religiösen und spirituellen Beziehungen mit der schiitischen Bevölkerungsmehrheit im Irak speist.

Der in den letzten zehn Jahren wachsende iranische Einfluss reicht mit der Achse Teheran–Bagdad–Damaskus bis hin zu Hisbollah in Beirut inzwischen weit über den Irak hinaus. Der Aufstieg der Regionalmacht Iran und die Antwort aus den dadurch bedrohten Golfstaaten hat vielerorts inzwischen die Form eines interreligiösen Konflikts zwischen Schiiten und Sunniten angenommen, der die Region heute ernsthaft destabilisiert.

Bild: privat
KARIM EL-GAWHARY

ist Korrespondent der taz in Ägypten. Karim El-Gawhary schreibt, filmt und sammelt Töne rund um die Arabische Welt für den taz-Blog Arabesken. Er lebt in Kairo und arbeitet seit fast zwei Jahrzehnten für deutschsprachige Medien. Er berichtet hier vom arabischen Alltag, kommentiert die Ereignisse im turbulenten Nahen Osten und sucht Themen, die es nicht in die Schlagzeilen geschafft haben.

Nutznießer waren auch die militanten Islamisten, die sich mit dem Markennamen al-Qaida schmücken. Der Irakkrieg hat den Al-Qaida-Kämpfern, die in Afghanistan in Tora Bora 2001 ernsthaft unter Druck geraten waren, neues Leben eingehaucht. Der amerikanische Ansatz, auf die Kurden und Schiiten im Irak zu setzen, hat einen Teil der Sunniten in die Arme al-Qaidas getrieben, die den Widerstand gegen die Besatzung als heiligen Krieg vermarkten konnte. Die Auswirkungen sind bis heute zu spüren: Bei dem Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi vergangenes Jahr waren Kämpfer am Werk, die ihre Ausbildung im Irak erhalten hatten.

Militärisch haben die USA gewonnen, politisch der Iran, ökonomisch die Türkei. Das Land, das sich 2003 als Aufmarschgebiet für die US-Truppen gegen den Irak verweigert hatte, sahnte in Folge ab. Der Irak ist nach Deutschland zum wichtigsten Exportmarkt für türkische Produkte avanciert. Allein letztes Jahr wurden Produkte „made in Turkey“ im Wert von 10,8 Milliarden Dollar ins Nachbarland geliefert. Türkische Baufirmen erhielten irakische Aufträge im Wert von 3,5 Milliarden Dollar.

Sie nutzen die Militärmacht der USA

„Amerika hat keine Freunde, sondern nur Interessen“, lautet einer der berühmtesten Slogans des ehemaligen US-Außenminister Henry Kissingers. Das Problem der USA im Irak ist, dass alle, mit denen Washington im Irak zusammengearbeitet hat, nach dem gleichen Motto handeln, seien es der Premier Nuri al-Maliki, die Schiiten oder die Kurden oder die sunnitischen Erweckungsmilizen, die einst gegen al-Qaida ins Leben gerufen wurden – sie alle haben die Militärmacht der USA im Irak genutzt, um ihre eigenen Interessen voranzutreiben.

So ist der Irakkrieg vor allem eine weitere Lektion, dass sich interne und regionale Machtverhältnisse auch mit der erdrückendsten Militärmacht von außen nicht im eigenen Sinne verändern lassen. Eine Lektion, die ständig vergessen wird. Israel hat im Libanonkrieg und in zwei Gazakriegen später den gleichen Fehler wiederholt. Im Libanon war die Hisbollah nach dem Krieg 2006 stärker denn je, und in Gaza herrscht weiterhin die Hamas.

Nachhaltig verändern sich die Machtverhältnisse in der arabischen Welt also nicht durch eine ausländische Intervention, sondern nur von innen heraus, und selbst das ist ein schweres Unterfangen, wie wir in den letzten beiden Jahren beim turbulenten arabischen Umbruch erleben.

Der Irakkrieg hatte den arabischen Wandel von innen wahrscheinlich um einige Jahre verzögert, da die arabischen Diktatoren damit die einheimischen Demokratiebewegungen diskreditieren konnten mit einem einfachen: „Wollt ihr etwa so werden wie der Irak?“ Denn der Irak stellt so ziemlich alles dar, was die Araber nicht wollen: ein durch eine ausländische Intervention gesellschaftlich zerstörtes und polarisiertes Land mit einer traumatisierten Bevölkerung. Nicht wegen, sondern trotz des Irakkrieges ist die arabische Welt ein Jahrzehnt später doch noch in Bewegung geraten – chaotisch, turbulent, mit unbekanntem Ausgang, aber: diesmal in Eigenregie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Karim El-Gawhary
Auslandskorrespondent Ägypten
Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • V
    VRIL

    Kommentar entfernt. Bitte achten Sie auf Ihre Wortwahl.

  • R
    R.J

    Der Iran sei ein Gewinner?

     

    Wo weder die Bevölkerung des Irans mehr Freiheit gewonnen, noch der Staat Iran als ganzes Sicherheit bekam, kann dies doch nicht stimmen.

     

    Und Israel, den Irakeinsatz der USA fordernd und befürwortend, das in seinem Windschatten sich Arafats entledigte?

     

    Wenn man Gewinner ausmachen möchte, dann auch die israelischen Regierungen: Die nur anscheinend stagnierenden Verhältnisse in Palästina waren eine schleichende, ständige Expansion, die über weite Strecken von den Horrormeldungen aus dem Irak überlagert wurden.

    • @R.J:

      Ja und den Tsunami in Japan hat Israel auch verursacht, um von der Siedlungspolitik abzulenken.... Mann, man.......

  • H
    Harald

    Eine, leider, treffende Analyse der Gemengelage in Middle East.

     

    Diese allerdings auf Israel zu übertragen, ist reines Wunschdenken. Was nicht heißen soll, daß Israel keine Fehler gemacht hat. Nur im Gegensatz zu den Amerikanern lernt Israel aus seinen Fehlern.

     

    Gut gefällt mir die realsatirische Replik auf den Arabischen Frühling: "chaotisch, turbulent, mit unbekanntem Ausgang, aber: diesmal in Eigenregie."

     

    Wobei es auch hier wieder die Amerikaner sind, welche die Funky Brothers mit Milliarden Dollars an die Macht gebracht haben.

  • B
    beobachter

    Meines Erachtens kommentiert El-Gawhary an der Realität vorbei! Seine Ausführungen fürhen in die Irre.

     

    Seit wann haben bitteschön die Araber aus Eigenenergie den Wandel versucht?

     

    Hat sich in Libyen etwas geändert. Mit Ihren Jeep`s, SUV`s und Pickaup`s haben die "Aufsätndischen" versucht, das Regime zu stürzen! Für wen denn? WEm gehören die Ölfelder jetzt? Was wird mit dem Wasser gemacht? Ist Demokratie gekommen? Oder ist Libyen eher von Fransozen und Engländer niedergebommt worden?

     

    Hat der in Amerika ausgebildetet Musri in Ägypten Demokratie und Frieden gebracht? Oder ist der Mubarak durch Einstellung der Militärhilfe gestürzt worden?

     

    Warum wird Saudi Arabien und Katar mit Waffen allerart versorgt? Warum werden diese nicht gestürzt obwohl diese Hauptgeldgeber sind?

    Wann werden diese Staaten durch Eigenenergie Demokraie begehren? Wie soll das aber gehen bei dieer Aufrüstung?

  • Z
    zensiert

    danke für diesen exzellenten artikel, von jemandem, der wirklich ahnung zu haben scheint!

    "Von innen heraus verändern", das bleibt bei mir besonders hängen, wenn ich an den Artikel denke...

  • F
    FaktenStattFiktion

    Auch wenn es Herr Karim El-Gawhary nicht hören mag:

     

    Der arabische Frühling des letzten Jahres ist zum islamischen Winter geworden - und genau dies hatte Samuel P. Huntington bereits vorausgesagt.

  • DM
    David Mirschlecht

    vielleicht kann die taz mal langsam anfangen, wir wollen ja nichts überstürzen, eine neutrale Sprache zu verwenden.

     

    Man kann im Falle das Irak-Kriegs nicht von "den Amerikanern" nennen. Weder damals noch heute ist die Mehrheit der Amerikaner nicht für den Militäreinsatz. Dass dieses Volk von einer gehirnwaschenden Medienlandschaft verängstigt und überrollt wird kann ruhig mal erwähnt werden.

     

    Dass sie persönlich und die taz im allgemeinen angesichts von mindestens hundertausenden Toten und gefälschten Kriegsgründen nicht härtere Kritik für den Militäreinsatz üben, ist schon interessant. Das hätte ich mir zum Jubiläum gewünscht.

     

    Jetzt hier noch das Bild aufzubauen, der Iran sei der große Sieger ist wirklich lachhaft. Der Iran wird von fast allen Seiten, ob wirtchaftlich, politisch, geheimdienstlich oder gesellschaftlich als Feind beschimpft, sanktioniert und als Erfahrung aufgebaut, obwohl er den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat und umfassende Kontrollen seit Jahren zulässt. Sein internationaler Ruf im Westen ist der eines Schurkenstaates, den man am besten präventiv zerstören sollte. Diese Meinung kann nicht einmal von Juden geteilt werden, weil kein Mensch Krieg wollen kann solange diplomatische Lösungen mögliche sind sondern ist ein ziemliches Mediengespenst. Zitieren sie doch einmal 10 unabhänige israelische Zivilisten, die für Krieg gegen den Iran sind. Berichten könnten sie über die Demonstrationen in Israel beim Obama-Besuch in den letzten Tagen.

     

    Es klaft eine ziemlich Lücke in Ihrer Logik, dass die taz verstanden haben will, dass man Terroristen nicht mit Militär bekämpfen kann, während die USA u.a. genau das tun. Sind sie wirklich der Meinung, sie seinen in dem Punkt "weiter" als die Generäle der größten Streitmacht, die die Welt je gesehen hat oder möchten sie einfach verschleiern, dass hier ein doppeltes Spiel gespielt wird?

     

    Dass sie mit der Behauptung schließen, die Arabellion sei "in Eigenregie" entstanden, lässt mich nicht nur an ihren Journalistischen Fähigkeiten sondern auch an Ihren Motiven zweifeln. Die Arabellion wurde, laut diversen Journalisten for Ort, zB Christoph Hörstel, und Augenzeugenberichten, zu einem nicht unerheblichen Teil von ausländischen Söldnern angestiftet, die für zum Teil grausame Massaker verantwortlich sind. Dass sie dieses nicht einaml erwähnen bekundet ihre einseitige Berichterstattung.

     

    Sie sollten sich schämen!

    • @David Mirschlecht:

      "Diese Meinung kann nicht einmal von Juden geteilt werden," Das klingt ein wenig so, als wären Juden aber schon aggressiver, bzw. die Hauptprobleme der arabischen Welt. Dass Sie im selben Artikel aber auch noch ausführlich einer Lügenpresse schwadronieren, zu der Sie auch die taz zählen, macht es nicht besser...

  • NM
    Nikta Momus

    „Die Befreiung“ der Völker geht weiter!

     

    „Geheime Dokumente zeigen, dass Iraks Diktator Saddam Hussein in Laboren eine neuartige Atombombe entwickelt hat, deren Auswirkung noch verheerender als bisher ist“. So ging es mit Medienhysterie bzw. Politikmanipulation, um Regimewechsel in Irak zu betreiben!

     

    Nun, in einem Bericht des US-Senats steht, dass „die irakische Führung kein aktives Atomprogramm und auch kein mobiles Labor zur Herstellung biologischer Waffen gehabt hat“. Weiter: „…Saddam hatte niemals Verbindungen zu Al-Kaida und sah die islamistischen Extremisten von Bin Laden als Bedrohung für seine Führung“.

     

    Aber die Lüge, dass Irak über Massenvernichtungswaffen verfügt, trug der damalige US-Außenminister Powell sogar der UN vor. Nun, was ist die Bilanz? Mehr als eine Million Tote, unzählige Verwundete, Verstümmelte, Verkrüppelte, Verstrahlte, Verarmte. Und all dies, um der Öllobby ungehinderten Zugang zu den irakischen Quellen zu sichern?! Um zu garantieren, dass das Öl weiterhin gegen US-Dollar gehandelt wird?! Um sicherzustellen, dass kein Land es in Zukunft wagen wird, sich gegen die Interessen der Finanzlobby zu stellen?!

     

    Nach dieser Bilanz dürfen wir uns heute nicht wundern, wenn sich ein Großteil der Iraker nach Saddam zurück sehnt! Und Großteil der Europäer den Lügen über weitere Befreiungsmissionen und manipulierten Regimewechseln nicht glaubt!

  • S
    S.K

    Hier kommt insgesamt die Freude, als auch die Freunde Israels zu kurz.

     

    Wenn Bezug auf Geheimdienste und Stimmen genommen wird, die den Irakkrieg befürworteten, bleibt dies mitlerweile ausgeblendet.

     

    Ist also nicht ein Profiteur vergessen worden, der doch gerade bei Bush junior seine große Rückendeckung bekam?

  • Z
    zombie1969

    Die Front gegen den kriegslüsternen Iran muss weiter gefestigt und ausgebaut werden. Dazu sind die Sanktionen weiter zu verschärfen um den Iran vollständig auszudünsten. Auch muss der Iran militärisch eingekesselt werden um den psychologischen Druck auf den Iran weiter zu erhöhen. Auch sollte sämtlichen Regierungsvertretern des Iran die Einreise in den Schengenraum untersagt werden.

  • E
    Experte

    Na ja.

     

    Teile und Herrsche ist die Maxime.

     

    Die Situation im Irak ist ein Erfolg für die USA. Sunniten und Schiiten bekämpfen sich und kein US Soldat ist involviert.

    Ein starker Irak wäre eher ein Problem als ein Chaotischer.

     

    Die USA sind auch nicht von den Flüchtlingsströmen dieser Länder betroffen, sondern der Konkurrent EU, der dadurch geschwächt wird.

     

    Der arab. Frühling ist auch positiv aus Sicht der USA. Keine Diktatoren mehr an der Spitze der Länder sondern nur eine religiöse Bewegung.

     

    Den Iranern geht es in Wirklichkeit schlecht.

taz zahl ich illustration

tazzahl ich

All you can read

Niemand muss taz lesen. Aber wer will, kann. Unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Das ist dank Ihrer Unterstützung möglich!

  • Ja, ich will
  • Unterstützen Sie die taz jetzt freiwillig mit Ihrem Beitrag
  • Vielen Dank, dass Sie die taz unterstützen
  • Schon dabei!