Kommentar Kongo: Neue Ära von Krieg und Zerfall
Kongos Regierung hat die Kontrolle über den Osten des Landes längst verloren. Und Ruanda ist als regionale Ordnungsmacht ungeeignet. Es verfolgt im Kongo eigene Interessen.
U mwälzungen im Afrika der Großen Seen entscheiden oft über Leben und Tod von Millionen Menschen. Was sich derzeit in atemberaubendem Tempo im Osten der Demokratischen Republik Kongo abspielt - die Einstellung der Kämpfe durch die Tutsi-Rebellen, der Einmarsch Ruandas, schließlich die Verhaftung des Rebellenchefs Laurent Nkunda -, ist daher mehr als eine nur lokale Angelegenheit.
Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur im Auslandsressort der taz.
Es geht um grundlegende Veränderungen in den Machtverhältnissen, und die überstürzte Art des Vollzugs macht deutlich, dass keine Seite alle Fäden in der Hand hält. Kongos Regierung hat die militärische Kontrolle über den Osten ihres Landes längst verloren. Nur dank der Hilfe Ruandas kann sie sich jetzt wieder ins Spiel bringen.
Nkundas Versuch, eine eigenständige Kraft aufzubauen, indem er sich zum Vertreter lokaler Interessen machte, ist von der neuen kongolesisch-ruandischen Allianz erdrückt worden - er wird nun das Bauernopfer des Zweckbündnisses zwischen den Regierungen in Kinshasa und Kigali. Ruanda schließlich verfolgt im Kongo so ausschließlich egoistische Interessen, dass es als regionaler Ordnungsfaktor nicht taugt.
Die Bevölkerung Ostkongos weiß nicht mehr, wer sie wirklich regiert, wer ihr wo aus welchem Grund gefährlich werden könnte. Kongos Versuch, zurück zur Stabilität zu finden, ist damit zunächst gescheitert.
Schon jetzt kämpfen wieder Truppen aus Ruanda und Uganda an verschiedenen Stellen des Landes gegen Rebellen und sorgen für neue Unsicherheit. Hinzu kommt die globale Wirtschaftskrise, die dem Kongo seine Hoffnungen auf Aufschwung durch Mineralienexport raubt: So ist das Risiko groß, dass dem Kongo und damit Zentralafrika insgesamt eine neue Ära zerfallender Staatswesen und grenzüberschreitender Kriege droht.
Ob den Vereinten Nationen, die im Kongo die teuerste UN-Mission der Welt unterhalten, dazu noch etwas einfällt? Schon die jüngsten kongolesisch-ruandischen Vereinbarungen fanden ohne internationale Beteiligung statt; beide Regierungen wollen sich von der Kontrolle durch die Weltgemeinschaft emanzipieren. Man sollte ihnen das nicht vorwerfen. Aber man darf sich um die Folgen Sorgen machen.
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