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Kommentar Kommunalwahlen ItalienSterne oder Kometen?

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Bei den italienischen Kommunalwahlen verliert die Bewegung von Beppe Grillo dramatisch an Stimmen. Daran ist er selbst nicht unschuldig.

E ine friedliche Revolution hatte Beppe Grillo ausgerufen, als sein Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) vor akkurat drei Monaten bei den italienischen Parlamentswahlen aus dem Stand über 25 Prozent holte und als neuer Politik-Schreck gleich 163 Parlamentarier nach Rom schickte. Am Ende seien die alten Parteien, „Kadaver“ seien sie bloß noch, tönte Grillo – und M5S werde in den nächsten Wahlen deren schleunige Beerdigung besorgen.

Nun fanden am Wochenende in Italien Kommunalwahlen statt, und die Beerdigung ist ausgefallen. Etwa acht Prozent der gesamten Wählerschaft war an die Urnen gerufen, neben Rom stimmten zahlreiche Mittelstädte wie Brescia, Vincenza oder Ancona ab. Und ein Datum zeichnet durchweg alle Kommunen aus: der tiefe Absturz der „Grillini“ gegenüber den Parlamentswahlen vom Februar. In Rom gab es bloß noch zwölf, in Ancona immerhin 14 Prozent - sonst aber waren die Ergebnisse fast durchweg nur noch einstellig. Selbst in Städten, in denen M5S vor drei Monaten über 30 Prozent geholt hatte, reichte es diesmal bloß für sechs bis sieben.

Also doch bloß ein Strohfeuer statt „Revolution“, ganz so wie bei den deutschen Piraten? Sicher ist, dass M5S in den letzten Monaten vieles falsch gemacht hat. Die auf der Woge des Protestes gegen die „Altparteien“ nach oben getragene Bewegung fand sich, völlig unverhofft, mit einer Sperrminorität im Parlament wieder: Die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) war allein zur Regierungsbildung nicht in der Lage, und sie trug Grillos Abgeordneten recht offen ein Bündnis an.

Bild: Christian Jungeblodt
Michael Braun

Michael Braun ist Korrespondent der taz in Italien.

M5S hatte beste Chancen, sowohl die Regierungsbildung als auch die im April fällige Wahl des Staatspräsidenten zu beeinflussen – und machte nichts daraus. Stattdessen gab es Fundamentalopposition. Das Resultat war unvermeidlich. Mangels Alternativen bildete die PD schließlich eine große Koalition mit der Berlusconi-Rechten.

Und Grillo rieb sich die Hände. War das nicht der definitive Beweis, dass die Altparteien der „Politikerkaste“ alle gleich waren, und war ihr Links-Rechts-Bündnis nicht die ultimative Chance, ihnen den Garaus zu machen? Schon träumten die M5S-Anhänger davon, dass ihr Kandidat gar ins Rathaus der Kapitale Rom einziehen könnte.

Doch allzu viele Wähler Grillos haben offenbar eine andere Sicht. Sie hatten M5S gewählt, um etwas zu verändern, um Bewegung in die Politik zu bringen, nicht um sich die – bisher folgenlosen – Litaneien und Lamentos sturer Fundis anzuhören. Diese Wähler kehrten bei den Kommunalwahlen mitnichten zur PD oder zur Berlusconi-Rechten zurück; stattdessen blieben sie schlicht zu Hause. Die Wahlbeteiligung brach gegenüber den letzten kommunalen Urnengängen vor fünf Jahren um 14, in Rom gar um 21 Prozent ein.

Deshalb täten die alteingesessenen Parteien von links wie rechts gut daran, sich nicht zu früh zu freuen. Die Laune in Italien ist unverändert schlecht, das Protestpotential unverändert hoch. Grillo ist noch keineswegs erledigt. Er hat einen herben Dämpfer einstecken müssen, nicht mehr und nicht weniger. Und er hat erfahren müssen, dass viele seiner Wähler mehr wollen als die Utopie einer „partizipativen Demokratie“ für morgen: dass sie Veränderung wollen, und zwar heute.

M5S wird wohl beginnen müssen, endlich Politik zu machen, statt von einem zukünftigen Kantersieg zu träumen, der den Grillini dann die Alleinregierung eintragen würde. Anderenfalls drohen die Fünf Sterne als schnell verglühte Meteoriten in die Geschichte der italienischen Politik einzugehen.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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8 Kommentare

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  • P
    paola

    wo dieser Reporter bekam die Informationen? von italienischen Zeitungen? Bitte besser informiert! Ich bin Italiener (Sie können von der deutschen sehen, dass ich hier schreibe;) und die Realität ist ganz anders als derjenige, der Ihre Reporter . Wenn will die Wahrheit wissen, und schreibt, man sich jemanden, der alle Videos von Parlament 5 Sternen übersetzen. Die Movimento5Stelle ist eine Bewegung und nicht eine Partei. Weigert sich, die üblichen Mist der Parteien zu tun, so nicht wollen, zu tun eine Koalitionen. Es ist besser, eine ehrliche Opposition zu tun, dass eine Mehrheit mit denen, die Italien gesenkt haben, wie jetzt! Die Mehrheit wird es bekommen. Wir sind mehr und mehr! Rechten oder der linken gleiche sind. Wir wollen nur ehrliche Leute. Wir wollen ehrliche Journalisten!

  • A
    Arne

    Leider fehlen in dem Kommentar sämtliche Belege, wie der Autor zu dem Schluß kommt, dass die Weigerung der Abgeordneten der M5S mit Berlusconi, Monti und Bersani zusammenzuarbeiten, Auswirkungen auf die Kommunalwahl hatten.

    Es wäre nett, wenn Herr Braun mal darstellen würde, welchen Einfluß Kommunalparlamente in Italien haben. Sollte deren Einfluß ähnlich wie der in der BRD sein, finde ich es nicht verwunderlich, wenn Menschen, die etwas verändern wollen, sich nicht an den Wahlen beteilligen.

    Ebenso ist nicht klar, wieso das ganze anders ausgesehen hätte, wäre die M5S in eine Regierungskoalition gegangen. Die Piraten haben sich zum Tolerieren in Schleswig-Holstein und NRW entschlossen und sie sind politisch nicht mehr auffindbar. Ebenso wie die LINKE in Westdeutschland nachdem sie eine Tolerierung der Kraft-Regierung in NRW mitgemacht hatte.

    Wilders in den NL tolerierte die letzte Rechtsregierung in den NL und wurde katastrophal abgestraft, die Liste Pim Fortuyn ging sogar eine Koalition ein und war in der Regierung damals. Diese Partei existiert heute schon gar nicht mehr.

    Ohne ein paar Hintergurndinformationen über die Machtmittel italienischer Kommunen und wie die Wähler dort ticken, ist der Kommentar ziemlich substanzlos und eher irgendein Kaffeesatzlesen.

  • J
    joy

    Mit 30% Soforteinstieg, keine Koalitionszusage

    zu machen, war entweder Dummheit in höhster Vollendung oder die Mafia und andere

    zwielichtige Gruppen unterwanderten den Verein

    oder erpressten Führungsmitglieder.

     

    Wenn Grillo dachte, dass man einen politischen

    Neuling gleich ganz Italien überlassen würde,

    war er naiv.

    Er hätte die Koalitionsangebote annehmen sollen,

    bzw. seine gewählten Vertreter hätten unbedingt

    sich von dem Mann emanzipieren müssen.

    Wahrscheinlich war es aber für den Anfang vielleicht

    doch zuviel Verantwortung.

    Dennoch, schlechter als Berlusconi und Monti, kann

    man Italiens Politik kaum machen.

    Die anderen Leute, um Grillo müssen anfangen selbststänidig zu denken und sich gewissenhaft vorbereiten, damit es nicht nocheinmal

    zu so krassen Fehlentscheidungen kommt!

    So eine Chance Italien mit wesentlich regieren zu können, verramscht man nicht!

  • I
    Ingo

    Selbst schuld und auch gut so!

    Grillo hätte tatsächlich viel Gutes tun können, wenn er nur eine Koalition eingegangen wäre. Das Problem ist, daß er - wie schon andere vor ihm - glaubt, in der Politik sei alles machbar wenn man nur will, wer die Mehrheit stellt, könne nach Belieben walten. Zum Glück funktioniert das nicht so leicht. Und Grillo würde das schmerzhaft zu spüren bekommen, wenn er die Mehrheit bekommen hätte. Aber die Mehrheit ist unerreichbar für Parteien, die sich nicht zumindest irgendwo schon einmal bewährt haben, also nicht durch Protest sondern durch eine Regierungsbeteiligung. Alles andere wäre, die Katze im Sack zu wählen. Wer kann daran schon interessiert sein.

    Grillo ist ein Träumer, der - ähnlich den grünen Fundis - zwar wichtige Probleme anspricht, aber sich nur an Lösungen beteiligen will, wenn sich alle nach ihm richten. In der parlamentarischen Demokratie ist es unerläßlich, Kompromisse zu schließen. Fundamentalopposition ist nur etwas für die Straße, wo sie teilweise wichtige Funktionen erfüllt. Diesen Unterschied scheint Grillo nicht verstanden zu haben und wird - falls er es jetzt nicht doch noch einsieht - als Fußnote in der Geschichte landen, der Italien kein Stück verbessert hat und durch seine Haltung das Land erst gelähmt und dann in Berlusconis Arme getrieben hat.

  • KE
    Kümmert Euch

    Ich meine, irgendwie wissen die Italiener eh nicht was sie wollen. Hatte Beppe Grillo nicht auch das bedingungslose Grundeinkommen im Programm? Wenn man auf http://basicincome2013.eu in die Unterschriften Statistik schaut sieht man das die Beteiligung der Italiener recht dürftig ist. Entweder haben die das noch nicht mitbekommen, oder den ganzen Grillo Wählern ging es nicht um Inhalte, sondern nur um den Protest. Den meisten Bürgern scheint eh alles am Ar... vorbei zu gehen, nicht nur in Italien sondern auch Hierzulande.