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Kommentar Kohlekraftwerk MoorburgVerrat am Wahlversprechen

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Nur um in Hamburg zusammen mit der CDU am Regierungstisch sitzen zu dürfen, ist die Partei der Klimaretter ins energiepolitische Off gesprungen.

D en Grünen in Hamburg, namentlich der grünen Umweltsenatorin Anja Hajduk, ist es nicht gelungen, das Kohlekraftwerk Moorburg zu verhindern. Dies ist ein guter und ehrenvoller Grund, die Regierungskoalition in Hamburg zu verlassen.

Bild: privat

Ulrike Winkelmann ist Parlamentsredakteurin der taz.

Den Kohlemeiler zu verhindern war aber nicht nur das zentrale Wahlkampfversprechen der Hamburger Grünen. Was es mit solchen Versprechen auf sich hat, ist bekannt. Der Baustopp war eine der wichtigsten Begründungen dafür, sich auf die bundesweit erste Koalition auf Landesebene mit der CDU einzulassen: Wenn Moorburg noch verhindert werden soll, dann nur mit und dank uns. Mit Stolz übernahm man die zuständige Umweltbehörde, in Anja Hajduks Hände wurde die Verantwortung gelegt.

Hajduk hat bei allem Bemühen dieser Verantwortung nicht gerecht werden können. Das wasserrechtliche Verfahren - wonach die Erwärmung der Elbe den Bau des Riesenmeilers nicht zulasse - war nicht das geeignete Instrument. Dies aber hätte der Partei der Energieexperten und Kraftwerksverhinderer schon vor der Wahl auffallen können. Zumindest hätten die grünen Wahlkämpfer den Mund nicht so voll nehmen dürfen, vor Risiken hätte gewarnt werden müssen.

Stattdessen taten die grünen Koalitionsverhandler nach der Wahl dann so, als dürfe über Moorburg nicht mehr allzu ausführlich geredet werden, um dem Stromkonzern Vattenfall keine Handhabe zu geben, sich rechtlich gegen "politische Attacken" auf bestehende Verträge mit der Hansestadt zu wehren. Ein einziges Moorburg-Sätzlein kam in den Koalitionsvertrag. Nun wundern sich alle, ob denn das Wasserrecht nicht von vornherein ein arg dünnes Hemd war, wo eine Ritterrüstung angebracht gewesen wäre. Dabei wurde die Qualität der Ware schlicht nicht besprochen.

Das aber ist ein Fehler, der den Grünen in der ganzen Republik schadet. Er hat nichts mit dem Koalitionspartner zu tun. Die CDU brauchte sich die Hände nicht schmutzig zu machen - sie brauchte sie noch nicht einmal zu bewegen. Die Partei der Klimaretter ist - ganz allein über ihren unbedingten Wunsch zu regieren - ins energiepolitische Off gestolpert.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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3 Kommentare

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  • SG
    Scheinheilige Grüne

    Es ist noch viel schlimmer: Das Wasserrecht hätte ermöglicht, die Baugenehmigung zu versagen, wenn man wirklich gewollt hätte. Vermutlich wurde Rücksicht auf den Koalitionspartner genommen, der jahrelange Prozesse u. a. wg. Schadensersatz an Vattenfall mit Sicherheit ablehnt.

  • DP
    David Perteck, ÖDP-Kreisvorsitzender Hamburg-Wandsbek

    Angesichts des verheerenden Desasters von Moorburg für die Hamburger GAL können auch die neuerlichen Verprechungen von städtischem Ökostrom nicht einmal als ein Tropfen auf den heißen Stein wirken. Die Grünen sollte man einfach an ihren eigenen Worten und den entgegen gesetzten Taten messen. So haben die Landeschefs der Grünen Katharina Fegebank und Anjes Tjarks vor der Wahl immer wieder laut gerufen: "Ole muss weg! Ole muss weg!" und sie haben den Bürgermeister als „Kohle von Beust“ beschimpft. Jetzt koaliert ihre Partei mit der Beust-CDU und sie nennen Ole von Beust einen guten Bürgermeister. Und Christa Goetsch von den Grünen hat vor der Wahl gerufen, der Schaden durch Ole von Beust und seinen Senat dürfe "nicht ungestraft bleiben!" Jetzt dient sie unter Beust als seine zweite Bürgermeisterin und unterstützt dieselbe Politik im Auftrag der Wirtschaftslobby. Ein Kohlekraftwerk in Moorburg werde es mit der GAL in keiner Form geben, haben die Grünen vor der Wahl verkündet, es als „Dreckschleuder“, „Klimakiller“ und „Sündenfall“ des Ole von Beust bezeichnet. Jetzt genehmigt die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk das Kohlekraftwerk mit etwas Abstand zu den Wahlen. Vermutlich war dies bereits vor Unterzeichnung des schwarz-grünen Koalitionsvertrags zwischen CDU und GAL in gewohnt undemokratischen Geheimabsprachen ganz genau so verabredet worden. Elbvertiefung, Zementierung von Studiengebühren, Kohlekraftwerk Moorburg und viele weitere ökologisch und sozial verheerende Entscheidungen gehen auf das Konto der GAL. Dabei haben die Grünen völlig recht: "Das darf nicht ungestraft bleiben!" Bei den nächsten Wahlen werden sie dafür einen gehörigen Denkzettel mit der rabenschwarzen Aufschrift „Kohle von Beust" bekommen. Die GAL hat abgewirtschaftet und wird dies spätestens bei den nächsten Wahlen selbst erkennen.

  • MS
    Michael Stingl

    Ich bin überzeugt, daß es den meisten Grünen an der Basis in Hamburg vor Wut so ziemlich egal ist ob sich Frau Umweltsenatorin aus Gründen der Koalitionsraison, aus juristischen oder sonstigen Gründen für Moorburg ausgesprochen hat/aussprechen mußte. Das Nein zu Moorburg war eines DER konkreten Wahlkampfaussagen überhaupt. Und wenn Frau Hajduk heute vor der Presse sagt, daß ihr aus juristischen Gründen nichts anderes übrig blieb, dann mag das inhaltlich als Antwort korrekt sein. Daß ihr keine andere Wahl blieb, ist indes falsch.

     

    Die HH'er GAL hätte sich schon in den Sondierungsgesprächen, spätestens aber in den Koalitionsgesprächen quer stellen und somit in die Opposition gehen können.

    Das was die Hamburger Grünen heute gemacht haben, wird die gesamte Grüne Partei hinsichtlich der Glaubwürdigkeit noch nachhaltig schädigen und die Bundespartei um die ohnehin kleine Chance einer linken Mehrheit bei der Bundestagswahl 2009 bringen.

    Ausgerechnet die Hamburger GAL, die sich neben dem Berliner Landesverband immer für die "linksten" Grünen auf Erden verkauft haben, stimmen Moorburg aus "juristischen" Gründen zu und lassen die ideologischen Bedenken bei der heutigen Entscheidung diskret hinter sich.

     

    Die Vorgehensweise der GAL in Sachen Moorburg erinnert an einen Ausspruch aus der letzten Ausgabe der ARD-Kabarettsendung "Scheibenwischer" im Zusammenhang mit den BND-Aktivitäten im Irak während der Rot-Grünen Bundesregierung. Zitat: "Die Grünen sind die erste Friedenspartei, die für den Krieg sind". Frei nach diesem Ausspruch heißt das für die Hamburger Grünen: Die GAL ist die erste "Öko"partei, die einer Dreckschleuder zugestimmt hat.