Kommentar Köhlers zweite Amtszeit: Unnötige Ergebenheitsadressen

Struck hält sich an das ungeschriebene Gesetz, einem amtierenden Präsidenten eine zweite Amtszeit zu bescheren. Dabei spräche aus Sicht der SPD viel für einen gemäßigteren Kandidaten.

Die Sache scheint gelaufen, aber eine Chance gibt es noch, eine zweite Amtszeit von Horst Köhler zu verhindern: Bei der bayerischen Landtagswahl müsste die CSU die Macht an Rot-Grün verlieren. Dadurch würde sich auch die Stimmenverteilung in der Bundesversammlung, die 2009 den Bundespräsidenten wählt, derart verschieben, dass es dort eine linke Mehrheit gäbe. Da dies, nun ja, trotz des bayerischen Raucheraufstands nicht sehr wahrscheinlich ist, kann sich der CDU-Mann Köhler entspannt auf weitere fünf Jahre im Schloss Bellevue einrichten. Zu verdanken hat er seinen Freifahrtschein der FDP, die ihm jetzt schon ihre Stimmen garantiert, aber auch Sozialdemokraten, die ihm Avancen machen. Unterwürfigst: Peter Struck.

Der SPD-Fraktionschef ließ wissen, er habe "an der Arbeit von Horst Köhler nichts auszusetzen". Gar nichts? Mit seinem überaus freundlichen Befund hält sich Struck an ein ungeschriebenes Gesetz, wonach ein amtierender Präsident bei einer erneuten Kandidatur von beiden Volksparteien unterstützt wird - sofern er keinen Ladendiebstahl begangen oder kleine Kinder gefressen hat. Voraussetzungen, die Köhler zweifellos erfüllt. Dennoch wäre Strucks Ergebenheitsadresse nicht nötig. Denn der Gerühmte selbst hat sich an die ungeschriebenen Gesetze nie gehalten, die für Bundespräsidenten früher galten.

Anders als seine Vorgänger mischte sich Köhler in die Tagespolitik ein, stets in eine Richtung: Wie ein Wirtschaftslobbyist verdammte er die Antidiskriminierungsregeln und die Anhebung des Arbeitslosengeldes. Wenn er etwas an der Kanzlerin auszusetzen hatte, dann mangelnde Kürzungen im Sozialbereich. Aus Sicht der SPD spräche viel dafür, diesen Arbeitgeberpräsidenten abzulehnen und einen gemäßigteren Kandidaten vorzuschlagen, zumal auch Union und FDP in der Bundesversammlung keine eigene Mehrheit haben. Doch Struck freut sich lieber über Köhlers Lob für die Agenda der Schröder-SPD. Sein Vorstoß ist Teil des parteiinternen Flügelkampfes nach dem Hessen-Debakel. Dem angeschlagenen SPD-Chef Kurt Beck dürfte der Mut fehlen, sich Köhler zu verweigern und bei der Präsidentenwahl ein unkonventionelles Experiment zu wagen. LUKAS WALLRAFF

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