Kommentar Koalitionsstreit: Die arme FDP
Wer Merkel kennt, kann erahnen, wie der Streit über Steuererhöhungen weitergeht. Nach dem 30. Juni wird die Kanzlerin eine Nachbesserung des Sparpakets verkünden.
D ie FDP ist nicht zu beneiden, einmal mehr. Bei der Sparklausur hat sie einen Erfolg errungen wie schon bei den Koalitionsverhandlungen: Steuersenkungen, hieß es damals, wenigstens keine Steuererhöhungen, heißt es jetzt. Seither zieht kaum ein CDU-Politiker an einem Mikrofon vorbei, ohne seine Sympathie für einen höheren Spitzensteuersatz kundzutun. Nur Merkel sagt offiziell nichts dazu. Noch nicht. Schließlich will sie die Koalition nicht sprengen.
Wer Merkel kennt, kann erahnen, wie es weitergeht. Am 30. Juni muss die FDP ihr noch dabei assistieren, ihren Widersacher Christian Wulff ins höchste Staatsamt wegzuloben. Danach wird die Kanzlerin irgendwann erklären, an einer Nachbesserung des Sparpakets führe leider kein Weg vorbei. Und wenn die FDP hartleibig bleibt, wird die Kritik am Sparpaket wenigstens auf sie abgelenkt. Die FDP wird es wohl schlucken müssen. Sie hat derzeit nur zwei Druckmittel in der Hand. Sie kann in Nordrhein-Westfalen eine Ampelkoalition eingehen, riskiert damit aber, auch noch ihre verbliebene Stammklientel zu verschrecken. Die FDP kann Wulff in einen zweiten oder dritten Wahlgang zwingen – mehr aber wohl nicht, weil die Linkspartei mit ihrer Abneigung gegen den Freiheitshelden Joachim Gauck der Kanzlerin zu Hilfe eilt.
Das Verhältnis zwischen großem und kleinem Koalitionspartner wurde in der rot-grünen Zeit gern mit dem Bild von Koch und Kellner umschrieben. Bei Union und FDP geht es derzeit eher zu wie zwischen Henker und Delinquenten. Strategisch ist das ein Spiel mit hohem Risiko. Allmählich entdeckt die FDP, was die Grünen schon lange wissen: dass der kleine Partner mit seiner Politik sichtbarer bleibt, wenn er mit der Volkspartei aus dem gegnerischen Lager koaliert.
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