Kommentar Klimaprotest-Verbot in Paris: Protestiert doppelt so laut
Aktivisten dürfen in Paris nicht gegen den Klimagipfel demonstrieren. Aber Lobbyisten agitieren weiter. Nun müssen Alternativen her.
D as Verbot der großen Demonstrationen auf dem Klimagipfel in Paris trifft die Umweltbewegung hart. Denn eine breite Koalition aus Ökos, Gewerkschaften, Kirchen, Eine-Welt-Gruppen und vielen anderen ist dringend notwendig, die vor den Toren der Verhandlungen friedlich Rabatz macht und echte Fortschritte beim Klimaschutz einfordert.
Dass daraus so nichts wird, ist nicht nur eine Enttäuschung für die Aktiven, sondern auch gefährlich: Der Gegendruck von außen und von unten gegen den bequemen kleinsten Nenner in der Klimapolitik wird nun kaum noch wahrnehmbar sein. Lobbyvertreter, die den Klimazug bremsen wollen, haben dagegen auf der offiziellen Konferenz weiterhin Zugang zu den Delegierten.
Die Absage ist zwar ein hartes Stück Realpolitik, aber dennoch richtig. Wer will in dieser Situation die Verantwortung für zehn- bis hunderttausende Demonstranten übernehmen? Was ist, wenn es zu einer Massenpanik kommt? Weil das traumatisierte Paris derzeit erst einmal Ruhe braucht, wäre eine laute, bunte Demo vielleicht auch das falsche Zeichen. Und wer mit der französischen Polizei in Zeiten des Ausnahmezustands Räuber und Gendarm spielen will, der wird wahrscheinlich sein blau-weiß-rotes Wunder erleben.
Die Umweltbewegung wird kreativ werden müssen: ihre Paris-Kampagne ins Internet verlegen, sich neue Aktionsformen überlegen, testen, wie man demonstriert, ohne zu demonstrieren.
Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.
Vor allem aber ist klar: Die großen Demonstrationen in den Heimatstädten der Klimasünder, in Peking, Washington, Berlin, Brasilia, Delhi und überall sind nicht verboten. Hier muss der Druck stärker werden, die Stimmen müssen den Regierenden in den Ohren dröhnen. Denn was in Paris unterschrieben wird, wird nicht in Paris entschieden, sondern in den Hauptstädten der Welt.
Also sollte gelten: Statt gemeinsam an der Seine macht jeder zu Hause das Seine – und dafür doppelt so laut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett