Kommentar Klimagipfel-Ergebnis: Klimaschutz, von Hand gemacht
Der „Lima-Appell“ ist nur ein Minimalkompromiss. Doch er ermöglicht, dass sich die Bürger den Klimaschutz wieder zurückholen können - und müssen.
V on Vielem ein bisschen und von Allem zu wenig. So lässt sich der großspurig „Lima-Appell“ genannte Minimalkompromiss zusammenfassen, der wieder einmal mit Hängen und Würgen eine Klimakonferenz beendet hat. Die Erleichterung, die die Delegierten und Beobachter am Ende spürten, war mehr darauf zurückzuführen, dass endlich Schluss war als auf ein überzeugendes Ergebnis.
Dabei erfüllt der Kompromiss seinen Zweck: Er ermöglicht die Verhandlungen, die in einem Jahr zu einem umfassenden Abkommen führen sollen, mit dem alle Staaten sich gemeinsam verbindlich zum Klimaschutz verpflichten. Aber bis zu einem Vertrag in Paris, der dieses Versprechen hält, ist es noch ein langer Weg. Und die Stimmung in Lima verbreitet keine große Hoffnung, dass das einfach wird.
Denn lange nicht mehr waren die äußeren Umstände so gut. Die Vorbereitung der internationalen Klimapolitik war perfekt, die Konferenz gut organisiert, und alle waren voller Optimismus. Trotzdem blieb die Tagung fast in einem Streit darüber stecken, ob die Schwellenländer wie China und Indien irgendetwas und irgendwann zum Klimaschutz beitragen müssen. Selbstverständlich müssen sie das, und das wissen sie auch selbst ganz genau. Aber jedes Jahr, in dem sie diese Anstrengungen herauszögern, ist für sie gewonnene Zeit – und für den Schutz der Atmosphäre verloren.
Der „Lima-Appell“ hat aber zwei versteckte Vorteile: Er ermöglicht, dass in Zukunft irgendwo unter dem UN-Dach nichtstaatliche Akteure wie NGOs, Firmen, Städte oder Gemeinden beim Klimaschutz aktiv werden. Und er lässt die Möglichkeit, dass Forschungsinstitute und Thinktanks unabhängig die Zahlen bewerten, die die Staaten liefern und die sie vor allzu genauer Untersuchung geschützt haben. Denn wir haben uns zu sehr angewöhnt, den Schutz der Atmosphäre an Expertengremien, Umweltminister und UN-Bürokratien auszulagern.
Vor allem bei diesen quälenden Klimakonferenzen folgt daraus ein gefährliches Gefühl der Ohnmacht und der Frustration. Die Bürger können und müssen sich den Klimaschutz wieder zurückholen. Das bedeutet viel mehr als die Spende an Silvester, um die Flüge des Jahres zu kompensieren. Es heißt, jeden Tag sich selbst, seine Nachbarn, Kollegen und Politikern auf die Nerven zu fallen, damit Kohle und Öl ins Museum wandern und die Idee einer Wirtschaft ohne Kohlenstoff Wirklichkeit wird. Wer da Fortschritte macht, erträgt irgendwann auch wieder eine Klimakonferenz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“