Kommentar Klage gegen Fiskalpakt: Bürger ersetzen Opposition
Die angedrohte Verfassungsklage gegen den ESM-Vertrag wäre eigentlich die Aufgabe von SPD und Grünen. Doch die haben Angst, als europafeindlich zu gelten.
D ie Schwachstellen geplanter Gesetze analysieren, den Abbau demokratischer Rechte anprangern, ein Bürgervotum über grundlegende Machtverschiebungen einfordern: Was das Bündnis von außerparlamentarischen Initiativen mit Unterstützung von Herta Däubler-Gmelin macht, wäre eigentlich die Aufgabe der Opposition im Bundestag.
Doch abgesehen von der Linkspartei, die ESM und Fiskalpakt aus inhaltlichen wie formalen Gründen ablehnt, sowie einzelnen Kritikern in der Koalition bleibt es im Parlament erstaunlich still. SPD und Grüne fürchten offenbar, dass eine kritische Haltung ihnen als verantwortungslos oder europafeindlich ausgelegt werden könnte.
Auch bei diesem Problem könnten sie von den Initiatoren der neuen Kampagne lernen. Die nämlich lassen keinen Zweifel daran, dass sie sich nicht gegen die Inhalte von ESM-Vertrag und Fiskalpakt wenden, sondern gegen die damit verbundene Entmachtung der nationalen Parlamente ohne gleichzeitige Stärkung des EU-Parlaments.
ist Parlamentskorrespondent der taz.
Herta Däubler-Gmelin war immerhin bis 2002 Justizministerin der SPD. Man könnte also annehmen, dass diese Partei die Bedenken ihrer prominenten Rechtsexpertin ernst nimmt. Von wegen. Die Fraktionsführung will sich öffentlich nicht einmal zu der Kampagne äußern, geschweige denn sie unterstützen. Dass dieses Wegducken am Ende vom Wähler belohnt wird, scheint fraglich.
Vielleicht überdenken SPD und Grüne ihre Haltung noch, wenn die Unterstützung für die angedrohte Verfassungsklage wächst. Und wenn nicht, können die besorgten BürgerInnen immer noch darauf setzen, dass das Bundesverfassungsgericht sich mehr um demokratische Rechte sorgt als dieses träge Parlament.
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