Kommentar Klage Länderfinanzausgleich: Extrawurst für Bayern
Bayerisches Geld soll in Bayern bleiben. Dieses Wahlkampfthema ist immer populär. Doch solche Entsolidarisierungs-Signale sind völlig kontraproduktiv.
D er Länderfinanzausgleich ist ein gutes Wahlkampf-Thema – jedenfalls in Bayern. Wer viel einzahlen muss, kann das immer ungerecht finden. Und wenn sich die Landesregierung dann für eine Verringerung der bayerischen Lasten einsetzt, ist das sicher populär: Bayerisches Geld soll in Bayern bleiben.
Welche bayerische Oppositionspartei will da laut widersprechen, wenn die Reihen gegen die vermeintlichen Schmarotzer aus Berlin und dem Osten fest geschlossen werden. Und weil das Theater so gut funktioniert, wird es alle zehn Jahre wieder aufgeführt.
Am Ende wird der Länderfinanzausgleich dann neu ausgehandelt und alle bekräftigen, dass man nun endlich eine dauerhafte Lösung gefunden habe. Meist gelingt der Durchbruch nur, weil der Bund noch mehr Lasten schultert als zuvor. Dann ist einige Jahre Ruhe – bis das Ganze wieder von vorne losgeht. Die Klage beim Bundesverfassungsgericht gehört zu diesem Theater dazu.
Aber mit einem Erfolg in Karlsruhe kann Bayern nicht wirklich rechnen. Die Richter zeigten sich schon 1999 vom Länderzank genervt und forderten diese auf, sich selbst zu einigen. Nach einigen Konflikten wurde dann 2001 der neue Länderfinanzausgleich samt Maßstäben vorgestellt und alle schienen zufrieden. Warum sollten die Verfassungsrichter Bayern von einer Verpflichtung befreien, die das Land selbst ausgehandelt und gut geheißen hat?
Die Regeln des Finanzausgleichs sind bis 2020 vereinbart, solange wird sich wohl auch Bayern dran halten müssen. Aber ein Misserfolg beim Bundesverfassungs-gericht ist für die CSU zweitrangig. Das Symbol mit der Klage kann sie heute setzen. Ein ablehnendes Urteil aus Karlsruhe wird es erst nach der Landtagswahl geben.
Man könnte außerhalb Bayerns also mit Gelassenheit auf die bayerische Klage reagieren. Allerdings richtet sie unnötigen atmosphärischen Schaden an. In einer Zeit, in der über Solidarität zwischen starken und schwachen europäischen Ländern diskutiert wird, dürfte es die Beistandsbereitschaft weiter schwächen, wenn sie nicht einmal mehr zwischen Bayern und Berlin richtig funktioniert.
Bald will dann jedes Stadtviertel seine Steuern für sich behalten wollen – wenn es ein bisschen mehr hat als andere. In einer Zeit, in der alles mit allem verflochten ist und große Probleme – vom Klimawandel bis zur ökonomischen Krise – nur noch gemeinsam gelöst werden können, sind solche Entsolidarisierungs-Signale völlig kontraproduktiv.
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