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Kommentar KirchentagDas Fernsehen des Teufels

Jan Feddersen
Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen und Jan Feddersen

Die evangelischen Christen reden in Dresden über fast alles. Auch über Erziehung und TV. Aber wer das Fernsehen nicht aushält, hat im Leben keine Chance mehr.

Eines der Testbilder des Teufels.

D RESDEN taz Es gibt unter Christen Themen, die sich von selbst verstehen. Etwa: dass Fernsehen des Teufels ist. Prof. Dr. Peter Winterhoff-Spurk, Medien- und Organisationspsychologe, wusste darauf am Donnerstag in der "Podienreihe Lebenskunst" hinzuweisen. Ja, er mahnte stark. "Balanceakt Erziehung? Die Antwort heißt: Ausschalten." Er bekam, natürlich, wir sind ja unter kulturkonservativen Klischeedreschern, Beifall in der Martin-Luther-Kirche.

So möchte man, mit Hinweis auf das Kirchentagsmotto "… da wird auch dein Herz sein", doch einmal Dissens anmelden, zumindest ein Stück weit: Das Fernsehen hat vermutlich mehr zur christlichen Wahrhaftigkeit und damit zum Ende abergläubischer Spökenkiekerei beigetragen als alle postlutherische Aufklärung. Das Fernsehen selbst ist ja ein Vernunftangebot - selbst in seinen unvernünftigsten Momenten.

Wer das Fernsehen nicht aushält, hat im echten Leben keine Chance mehr, dem wird das Herz verdorren und der Puls erlahmen. Wer die Kunst der Meditationen vor Bildschirmen nicht zu wertschätzen weiß, wer immer nur Verderbnis und Manipulation wittert, glaubt nur, ein Herz zu haben - ist ein Wahrheit ein Pharisäer, der nicht möchte, dass man zu Gesichte bekommt, was die Welt an Bildern zu bieten hat.

Bild: taz

JAN FEDDERSEN ist Redakteur der taz.

Keine Scham vor Unfug

Aber solch eine, nun ja, Kritik verhallt auf Kirchentagen ins Irgendwie. Alles möchte Bestimmung und Erweckung, Warnung und Alarm sein. Das könnte verspottet werden. Diese Naivität, dieses giftelnde Spucken auf alle Ironie und Zwiespältigkeit. Aber dieser Medienpsychologe hat das Herz des Tages verdient. Er spricht frank und frei die Sorgen aus, die die meisten Eltern umtreibt. Fernsehen ist unheimlich, eine Instanz des Einflusses jenseits väterlicher oder mütterlicher Erziehung. Fernsehen macht also Angst - und dieser Psychologe bestärkt alle, die sich fürchten und ein banges Herz haben. Das nennen wir: herzensreines Sprechen ohne Scham, womöglich Unfug zu plappern.

Karin Göring-Eckardt im Übrigen, Kirchentagspräsidentin, beantwortete die Frage, was das Thema dieses Kirchentages sei, so: Er habe keines. Alles könne erörtert werden. Und alle sind dabei. Man muss nur den Ton des Bedürftigen treffen, einerlei, wem er gilt. Dann und nur dann gibt es Applaus. Ehrlich ist das Bekenntnis zum Dresdner Allerlei sowieso. Und ist es nicht klug, das Ganze für das Spezielle zu nehmen? Das Leben sieht, persönlich genommen, nichts anderes vor.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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8 Kommentare

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  • KM
    Karl Martell

    Kommentator Feddersen begnügt sich damit, lediglich „Ausschalten“ zu zitieren und das Klischee zu reproduzieren, es gebe „unter Christen Themen, die sich von selbst verstehen. Etwa: dass Fernsehen des Teufels ist.“

    Dass sich Prof. Winterhoff-Spurk so dämlich geäußert hat, wie Feddersen unterstellt, ist unwahrscheinlich.

    Selbstverständlich ist Ausschalten unter Bedingungen medialer Überflutung eine sinnvolle Option. Genauso wie rechtzeitiges Ausschalten von technisch Machbarem, dessen zerstörerisches Potential nicht erst angesichts einer Katastrophe (z.B. Fukushima) zu erkennen ist.

    „Was die Welt an Bildern zu bieten hat“: Nicht nur geistlich, sondern auch geistig arm, wer sein Welt- und Selbstbild meint, aus Fernsehbildern beziehen zu können. Oder, wie Feddersen sagt: „Dem wird das Herz verdorren und der Puls erlahmen.“

    Zumindest wenn er das Fernsehen missversteht als „ein Vernunftangebot - selbst in seinen unvernünftigsten Momenten“.

    Angebot an die Vernunft? Nichts als - qualitativ ganz überwiegend minderwertige - Unterhaltung! Das zu verwechseln, nenne ich: „Sprechen ohne Scham, womöglich Unfug zu plappern.“

  • H
    Holger

    Der arme Herr Feddersen,

     

    vermutlich fernsehsüchtig. Ich kann ihm folgendes empfehlen: Weg mit dem Zeiträuber - nur mal für 3 Monate oder so - und dann erleben, wie erfüllt, friedlich das Leben wird und wie man Schritt für Schritt wieder mehr im Hier und Jetzt - in der Realität - zu Hause ist.

     

    Das hat nichts mit christlicher Bilderstürmerei zu tun - das ist meine ganz persönliche Erfahrung. Wir haben seit über 10 Jahren keinen Fernseher mehr.

  • FK
    Fritz Katzfuß

    Auf´s Fernsehen verzichten, ist nicht o schwer, wie es Herrn feddersen erscheinen mag, zumal in Zeiten des Internet, kann man auch alles auf´m PC sehen. Früher wollte ich mich des TV ganz enthalten und habe stattdessen gekifft, naja, heute DVD. Alles irgednwie inkonsistent. Eins steht fest: die Gehirnwäsche ist nirgendwo deutlicher als im TV. Dort wird das bewusstsein gemacht, die deutsche Seele modelliert. Rauchen ist des Teufels, aber Fressen ist super. In Wirklichkeit länsgt nicht so plump. dann wärs nicht effektiv.

    Alle Kriegskritiker werde ausgeladen, bis auf Margot, die wird abgemenschelt, Gysi, der Schein der Demokratie muss gewahrt bleiben,

    Aber ansonstensind doch alle für den Krieg am hindukusch : Schneider macht sogar einen richtigen Kriegsgottesdienst, de maziere willlder gewalt nicht weichen, sollen doch die Afghanen aus Afghanistan raus. Usw. bei dem Thema hat die psyhologische krigeführung noch Arbeit vor sich...das Volk ist noch nicht so recht davon überzeugt, am Hindukusch zu töten und eieiei getötet zu werden.

  • A
    AuWeiA

    "Es gibt unter Christen Themen, die sich von selbst verstehen. Etwa: dass Fernsehen des Teufels ist".Der Beweis wird ständig erbracht, es geht immer noch banaler und billiger. Nun stelle man sich den taz-Aufschrei vor, hier stünde statt "Christen" "bei Moslems" oder "im Islam". Steht nicht da? Eben, das würde sich so ein hauptstädtisches Kultur-Blättchen wie die taz nie herausnehmen. Zuviel Ehrfurcht, zuviel Respekt, zuviel Angst. Aber über die Leute,Christen, die, in welcher Art auch immer, ihr Christentum versuchen zu leben, kann man ohne Nachzudenken herziehen. Anders herum würde der Geifer hier im Blättchen überlaufen vor "alle Deutschen sind Islamophob", "Rassistisch", "Sarrazinistisch", "Nazis". Ist die taz folglich ChristoPhob?

  • K
    Kirchenmaus

    Mein lieber Herr Gesangverein, bzw. werter Jan, auf so'n Satz wie "Wer die Kunst der Meditationen vor Bildschirmen nicht zu wertschätzen weiß", muss mensch erstmal kommen bzw. ein knallharter Sonstwas-Pharisäer sein, um zu behaupten, das zu können. Wenngleich alles seine Zeit haben mag, gibt es da nur ein entweder oder: entweder die Sinne zerstreuen - oder ins Leere lauschen. Die Leere, die sich beim Betrachten eines flackernden Bildschirms im Hirn einstellen mag, hat m.E. nichts mit Meditation zu tun, sie ist das einfache Gegenteil davon, nämlich die so genannte Ablenkung.

  • L
    linsenspaeller

    Ich meine, der Kirchenfuzzi hat bis zu einem gewissen Grade recht. Ich selber habe bis zu einem Alter von etwa 25 Jahren nicht fern gesehen, damit stand man damals aber nicht einsam und außerhalb einer allgegenwärtigen Informationsgesellschaft. Es gab immer genug andere Dinge, die wichtig waren. Verbietet man heute Kindern Fernsehen oder Internet, dann stehen sie möglicherweise einer Front von Unverständnis und Mißtrauen gegenüber und wissen gar nicht mehr, mit wem und worüber sie sich unterhalten sollen. Faktisch ist es ja so, daß man durch den Fernsehkonsum darauf trainiert wird, schnell zu vergessen. Ob das einem selbst unangenehm ist, muß jeder selber entscheiden. Bei Kindern sollte die Antwort darauf aber klar sein.

     

    Außerdem geht das Gehirn mit fiktiven Situationen in Filmen ganz ähnlich um wie mit realen Erlebnissen. Wer sich also dauernd Kriegsfilme anschaut, darf sich nicht wundern, wenn er mit der Zeit eine Psyche wie ein alter Fremdenlegionär bekommt. Auch das muß aber in einer freien Gesellschaft jeder vor sich selber abwägen. Also ich z.B. bin immer mit einem Bein im Deltaquadranten verschollen und habe es längst akzeptiert, daß mich die Leute für reichlich wunderlich halten, um nicht zu sagen, etwas außer Phase...

  • F
    friedrich

    Ich kann mich Haralds Kommentar von Herzen anschließen!

  • H
    Harald

    Lieber Jan Feddersen,

     

    das Gegenteil von falsch muss nicht zwangsläufig richtig sein.

     

    Ihr TV-Blickwinkel scheint der meine zu sein: mit der erfahrungsgeleiteten Fähigkeit zur kulturellen, selektiven Auswahl kann, manchmal, ein durchaus gutes Programm gesehen werden. Auch mit Kindern.

     

    Wesalb Sie aber Ihren Blickwinkel als umfassend allgemeingültig betrachten, macht mich bei jemand, der Journalismus studiert hat, ratlos.

     

    Denn weite Teile der Bevölkerung versteht unter Medienkompetenz nichts weiter als "Gerätesozialisation" (Lothar Baier). Wissen Sie das nicht?

     

    Die Frage ist, warum dürfen Achtjährige nicht Auto fahren? Oder Zwölfjährige keinen Alkohol kaufen? Sechsjährige nicht rauchen?

    "Unn - hot's mer g'schaadt?" (Badesalz)

     

    Alles das können sie, im übertragenen Sinne, in der Glotze durchaus. Von niemand angeleitet, begleitet. Die Folgen nicht alters- und entwicklungsgemäßer Konfrontationen sind keinesfalls harmlos und in der beeinträchtigenden persönlichen und gesellschaftlichen Auswirkung nicht erst seit dem Mittelalter bekannt.

     

    Sie sagen : " Das Fernsehen hat vermutlich mehr zur christlichen Wahrhaftigkeit und damit zum Ende abergläubischer Spökenkiekerei beigetragen als alle postlutherische Aufklärung."

     

    Mit Verlaub, selten habe ich so einen Unfug lesen müssen. Ein Satz, der nur von einem absolut literaturfrei sozialisierten Haben-Mensch stammen kann.

     

    Zur Strafe:-) dafür würde ich Ihnen gerne vier Wochen "Kunst der Meditationen" im Privat-Fernsehen aufbrummen. Wo Ihnen, und den Kindern, ein Höchstmass an Atavismen und Aberglauben zur gefälligen Schau geboten wird.