Kommentar Kindersterblichkeit: Elend bekämpfen, Leben retten
Die Kindersterblichkeit ist in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgegangen. Trotzdem stecken zu viele von ihnen nach wie vor in tödlichem Elend.
J edes Kind, das an einer vermeidbaren Ursache stirbt, ist eines zu viel. Und jedes Kind, dessen Tod durch Fortschritt vermieden wird, ist ein unschätzbarer Erfolg. Das ist der Zwiespalt aller Nachrichten über Kindersterblichkeit. Es gibt keinen hundertprozentigen Fortschritt, aber jeder Fortschritt ist besser als keiner.
Im Jahr 1990, so schätzen es das UN-Kinderhilfswerk und die Weltgesundheitsorganisation, starben weltweit 12,6 Millionen Kinder im Alter von unter fünf Jahren.
Im Jahr 2012 waren es nur noch 6,6 Millionen. Das heißt: Bis zu 90 Millionen Menschenleben wurden in diesen gut zwei Jahrzehnten gerettet, jeden Tag gibt es 17.000 tote Kinder weniger. Oder aber: Seit 1990 starben immer noch 216 Millionen Kinder im Vorschulalter, immer noch gibt es 18.000 Todesfälle am Tag.
Die wichtige Erkenntnis des UN-Berichts ist: Durchschlagende Erfolge sind möglich. Einzelne Länder, von denen man es nicht unbedingt erwartet hätte, konnten ihre Kindersterblichkeit um mehr als zwei Drittel senken. Und wenn Bangladesch, Äthiopien, Liberia, Tansania es können, kann es die ganze Welt. Lungenentzündung, Durchfall und Malaria machen ein Drittel der Todesursachen aus – daran muss heute kein Kind mehr sterben. Dafür hat die Politik zu sorgen.
Das gilt vor allem für West- und Zentralafrika, wo das hohe Bevölkerungswachstum die Todesrate senkt, die absolute Zahl der Toten im Kindesalter aber nicht zurückgeht. Eine gleichbleibend hohe Zahl von Menschen in den instabilen, sehr armen tropischen Ländern von Nigeria bis Kongo steckt offenbar in hoffnungslosem, tödlichen Elend fest, während direkt neben ihnen große Mittelschichten emporschießen.
Das ist sozialer Sprengstoff und zugleich ein nicht hinnehmbares Leid. Darauf sollte sich die Aufmerksamkeit der Weltgesundheitspolitik konzentrieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja