Kommentar Keylogger am Arbeitsplatz: Popeln bleibt Privatsache
Das Bundesarbeitsgericht verbot die Aufzeichnung von Tastatureingaben ohne Verdacht. Zu Recht. Angestellte haben Persönlichkeitsrechte.
W enn von „Keyloggern“ die Rede ist, zucken taz-Mitarbeiter zusammen. Immerhin hatte der ehemalige taz-Redakteur Sebastian H. einige Zeit lang KollegInnen mit Hilfe von Keyloggern ausspioniert. Dabei interessierte er sich wohl vor allem für das Privatleben von Praktikantinnen. Im Februar 2017 wurde ein Strafbefehl über 6400 Euro rechtskräftig.
Ein Keylogger ist eine Spähsoftware, die jede Tastatureingabe eines Computers aufzeichnet. Auch später gelöschte Buchstaben und Sätze sind festgehalten. Man kann den Überwachten geradezu beim Denken zusehen.
Im Fall, den nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) entscheiden musste, wurde der Keylogger nicht von einem Kollegen, sondern vom Arbeitgeber eingesetzt. Er identifizierte damit einen Beschäftigten, der in der Arbeitszeit ein Computerspiel programmierte und für die Firma seines Vaters Aufträge erledigte. Der Keylogger belegte, dass der Mitarbeiter große Teile seiner Arbeitszeit privaten Interessen widmete. Das BAG hat die Kündigung dennoch kassiert, denn die Daten des Keyloggers waren nicht verwertbar. Ein Arbeitgeber darf seine Beschäftigte nichts „ins Blaue hinein“ ausspionieren. Nur wenn ein konkreter Verdacht vorliegt, können Keylogger zur Überprüfung des Verdachts eingesetzt werden.
Das Urteil kommt nicht überraschend. Das Bundesarbeitsgericht verfolgt damit eine Linie weiter, die es vor Jahren bereits zum Einsatz von Videokameras am Arbeitsplatz entwickelt hat. So ist es verboten, alle Beschäftigten ständig – offen oder heimlich – bei der Arbeit zu filmen. Nur wenn ein konkreter Verdacht besteht, zum Beispiel weil es in einer bestimmten Kasse auffällig häufig zu Fehlbeträgen kommt, kann der Arbeitgeber diese Kasse zeitweise video-überwachen.
Po-Kratzen und Sex-Chats
Der Schutz der Persönlichkeitsrechte ist auch am Arbeitsplatz berechtigt. Niemand muss es sich gefallen lassen, dass jede Bewegung, jedes Nasebohren, jedes Kratzen am Po gefilmt wird. Man weiß ja auch nie, wer sich solche Aufnahmen dann (illegal) ansieht und wo unvorteilhafte Filmchen später mal (illegal) landen. Das Gleiche gilt auch für den Einsatz von Keyloggern, der zum Beispiel peinliche Tippfehler aufzeichnet, bevor sie korrigiert werden. Und gerade wenn der Arbeits-Computer auch für Privates genutzt wird, wird sehr konkret dokumentiert, von der PIN des Onlinekontos bis zur Auswahl des Sex-Chats.
Es ist gut, dass Gerichte solche Überwachungs-Exzesse von Arbeitgebern unterbinden. Noch konsequenter wäre der Staat, wenn er auch selbst bei der Kriminalitätsbekämpfung auf anlasslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherungen verzichten würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül