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Kommentar Kampf gegen ÜberfischungFischer bei der Arbeit filmen

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Millionen Tonnen von aussortiertem Fisch landen im Meer, ohne dass Fischer bestraft werden. Per Videoüberwachung ließe sich das stoppen.

Aussortierter Fisch geht oft einfach über Bord Foto: imago/blickwinkel

E s ist schon ein starkes Stück: Da verbietet die Europäische Union den Fischern, Fische ins Meer zurückzuwerfen, weil sie für den Verkauf als Lebensmittel zu klein sind. Zum einen ist das deshalb verboten, da die Tiere oft schon tot oder fast tot sind. Zum anderen, weil niemand kontrollieren kann, welche Arten da eigentlich zurückgekippt werden und welche Folgen das für die Fischbestände hat.

Doch Stichproben des Internationalen Rats für Meeresforschung zeigen, dass trotz des Verbots Millionen Tonnen von Fischen wieder im Wasser landen. Denn auf hoher See ist selten ein Kontrolleur an Bord. Es gibt fast nie Zeugen. Die Fischer können tun, was sie wollen.

Junge Fische könnten noch Nachwuchs produzieren. Zudem könnten sie mehr Menschen ernähren, wenn sie erst später gefangen würden und dann größer wären. Das Rückwurfverbot soll die Fischer dazu zwingen, ihre Netze so zu gestalten, dass weniger zu kleine Fische gefangen werden. Denn sobald ein Fischer auch die zu jungen Tiere in den Hafen bringt, werden diese von der Quote abgezogen, die er aus dem Meer ziehen darf. So verliert er potenzielle Einnahmen, denn die zu kleinen Tiere kann er nur zum Beispiel als billiges Futtermittel verkaufen.

Dass dennoch häufig gegen dieses sinnvolle Rückwurfverbot verstoßen wird, trägt als wichtiger Faktor zur Überfischung der Meere bei. Die Fischbestände können sich dann nicht mehr schnell genug erholen – ein Verbrechen an der Natur.

Überwachung per Videokamera

Trotzdem werden bisher fast keine Verstöße ­gegen das Rückwurfverbot geahndet. Das muss sich schnell ändern. Nun kann nicht auf jedem Kutter ein Fischereiinspektor mitfahren. Aber der Staat könnte verdächtige Kapitäne dazu verpflichten, ihr Schiff beispielsweise mit Videokameras überwachen zu lassen. Dann ließe sich überprüfen, ob Fische über Bord geworfen werden oder nicht.

Viele Berufsfischer argumentieren dagegen mit dem Datenschutz. Sie wollen nicht ständig bei ihrer Arbeit gefilmt werden. Das ist verständlich. Aber hier muss das Recht auf Privatsphäre mal in den Hintergrund rücken. Denn anders lässt sich der ständige Gesetzesbruch auf See nicht verhindern, der durch Stichproben von Wissenschaftlern klar belegt ist.

Außerdem haben die Fischer eine Bringschuld. Sie nutzen kostenlos eine Ressource, die der Gesellschaft gehört: die Fischbestände in den Meeren. Fischer sind wie Bauern, die ernten, aber nicht säen. Schließlich wachsen Fische von allein. Deshalb sollten die Fischer wenigstens beweisen, dass sie sich an Gesetze zum Schutz dieser Ressource halten.

Das liegt langfristig gesehen auch im Interesse ihrer Branche. Denn von überfischten Beständen werden die Fischer nicht leben können.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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6 Kommentare

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  • Geht natürlich gar nicht. Was soll dann als nächstes kommen ? Führerhauskameras für LKW-Fahrer, damit sie nicht ihre Mülltüten zum Fenster herauswerfen ?



    Warum werden die geschätzten Beifangmengen nicht einfach in die Fangquoten mit eingerechnet ?

  • Ähm - mit Verlaub - gehts noch? Der Zweck heiligt mal wieder die Mittel? Ein Kommentar in der Taz fordert ständige Lückenlose Kontrolle eines Gewerks? George Orwell im Mantel der Weltenrettung?

    Mal als alternative Idee, wie wäre es - wenn schon vorschreiben - entsprechende Netze vorzuschreiben - also Netze die wie in den beiden Artikeln beschrieben den Beifang/Fang der Jungfische konstruktionsbedingt verhindern, statt eine nichtfunktionierende idee (Fangquoten) durch eine noch schlechtere (lückenlose Überwachung) weiter stützen zu wollen?

  • Das Filmen der Arbeiter geht aus Datenschutzgründen wirklich nicht. Denn Ausnahmen würden auch die Regeln in anderen Branchen aufweichen.

    Kann man die Kameras nicht rund um das Schiff so positionieren, dass nur das direkt umliegende Wasser gefilmt wird?

  • Letztlich liegen dem Ganzen die Herrschaftsverhältnisse zu Grunde.



    1. ist im Kapitalismus Geld/Vermögen Macht. Die Machtmittel werden für entsprechende Interessen eingesetzt.



    2. ist Speziesmus vorherrschend. d.h. das Tier wird wilkürlich dem Mensch untergeordnet. Tiere haben faktisch keine Rechte. Sie gelten als Ressource, Ware, Eigentum. So wird es im Artikel auch von Jost Maurin vertreten. Da ist kein Respekt, keine Empathie da. Das Tier sei ein "Ding".



    3. Herrschaft über die Natur - Tiere werden der Natur zuregechnet, die vorherrschend als ausbeutbar gilt.

    Der Ruf nach Kontrolle wird also aufgrund der Machtverhältnisse wenig nützen, noch effektiv sein. Denn - wer kontrolliert die Kontrolleur*innen? Letztlich legitimieren solche Reformen Tierausbeutung. Neue Fangmethoden gälten dann als ok. Konsument*innen dächten, dass sie vermeintlich bessere Produkte kaufen, moralisch handeln würden und erhalten somit die Illusion eines guten Gewissens.

  • "[...]



    Viele Berufsfischer argumentieren dagegen mit dem Datenschutz. Sie wollen nicht ständig bei ihrer Arbeit gefilmt werden. Das ist verständlich. Aber hier muss das Recht auf Privatsphäre mal in den Hintergrund rücken. Denn anders lässt sich der ständige Gesetzesbruch auf See nicht verhindern, der durch Stichproben von Wissenschaftlern klar belegt ist.



    [...]

    Sorry nein! Man kann nicht einerseits darüber reden wie wichtig Datenschutz und Privatsphäre ist und andererseits so einen Satz raushauen. Das ist genau die Argumentation mit der seit JAHREN nach und nach die Privatsphäre ausgehüllt und eingeschränkt wird. Und nachher wird sich beschwert warum Kameras überall hängen so wie es in London der Fall ist.

    • @Henrik WM:

      Ist ein Dilemma, ja. Trotzdem was anderes, Überwachung prophylaktisch und zur Erhöhung des „Sicherheitsgefühls“ im öffentlichen Raum vorzunehmen, als dort, wo tatsächlich permanent und in großem Umfang gegen Gesetze verstoßen und damit großer Schaden angerichtet wird.



      Es ließe sich doch vmtl. eine milde Lösung finden; Kameras nur auf die Netze beim Einholen, Entladen, oder so.