piwik no script img

Kommentar Kampf gegen RassismusHand in Hand gegen den Hass

Tausende Menschen haben ein deutliches Signal an Fremdenfeinde geschickt: Rassistisches Verhalten bleibt nicht unwidersprochen.

Am Wochenende haben deutschlandweit Menschen friedlich gegen Ressentiments protestiert Foto: dpa

Das wurde aber auch Zeit. „Wir sind das Volk!“, rufen seit Jahr und Tag die Anhänger der rassistischen Pegida-Bewegung, und die AfD vermittelt den Eindruck, als sprächen ihre Vertreter für eine Mehrheit. Am Wochenende aber haben Tausende Menschen von München bis Hamburg gezeigt, dass es auch ein anderes, ein fremdenfreundliches Deutschland gibt, dass dieses Land nicht von Hassparolen geleitet wird und dass dieser Hass nicht akzeptiert wird.

Die Zeit der Großdemonstrationen mit Hunderttausenden im Bonner Hofgarten sei lange vorbei, heißt es allenthalben. Damals glaubten viele Teilnehmer, eine genügend große Zahl von Demonstranten werde ausreichen, um politische Veränderungen einzuleiten. Dass das nicht immer stimmt, zeigte in den 1980er Jahren der Nato-Nachrüstungsbeschluss. Dass es manchmal stimmen kann, beweist der Ausstieg aus der Atomenergie. In jedem Fall garantiert eine numerische Stärke nicht den Erfolg einer Bewegung.

Doch jetzt, wo es gegen die Ausbreitung rassistischer Ressentiments geht, haben Menschenketten wie die vom Wochenende eine andere Funktion. Sie knüpfen an die halbe Million Demons­tranten von München an, die am Nikolaus­tag 1992 mit Lichterketten gegen Anschläge auf Migranten protestierten. Schon damals ging es weniger um eine Beeinflussung der politischen Entscheidungsträger. Ziel war und ist es, all den Fremdenfeinden und den Schwankenden gegenüber deutlich zu machen, dass ihr schäbiges Verhalten nicht unwidersprochen bleibt, ja dass sie nicht auf eine stillschweigende Mehrheit hoffen dürfen.

Manche Linke mögen über diese Art „Latschdemos“ die Nase rümpfen. Andere werden auf die eher geringe Teilnehmerzahl verweisen. Sie haben recht und doch unrecht. Kundgebungen können in der Tat Rassisten und Nationalisten nicht zum Schweigen bringen. Eingefleischte Rechtsradikale werden sich in ihrem Tun nicht von friedlichen Menschenketten beeinflussen lassen. Aber politische Mehrheiten lassen sich auch nicht vor dem Laptop manifestieren, da bedarf es schon der eigenen Füße.

Nichts spricht dagegen, dass es beim nächsten Mal ein paar Füße mehr werden. Die Menschen, die Hand in Hand auf den Straßen stehen, lösen ein Signal aus. Es lautet: Nicht in unserem Namen, wir nehmen den Kampf gegen Rassismus auf – mit denkbar friedlichen Mitteln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Es sind schon beschämend wenig Menschen auf die Straße gegangen. Jetzt aber bitte nicht daraus schließen, dass alle anderen zig-Millionen alles Rassisten sind.