Kommentar Jugendarbeitslosigkeit: Kaputtgesparte Generation
Europaweit sind 5,5 Millionen Menschen unter 25 ohne Arbeit. Während Spanien aber qualifizierte Fachkräfte verliert, profitieren Länder wie Deutschland.
D ie EU entdeckt die Opfer ihrer Politik, die Arbeitslosen unter 25. Junge Menschen sollen künftig spätestens vier Monate nach der Ausbildung oder vier Monate nach dem Verlust eines Arbeitsplatzes ein „gutes Angebot“ erhalten. 5,5 Millionen junge Menschen sind europaweit ohne Arbeit. In Griechenland und Spanien sind es mehr als die Hälfte der betroffenen Altersgruppen. Das Versprechen, zu handeln, klingt gut. Doch woher die Jobs kommen sollen, bleibt offen, da helfen auch Gelder aus dem EU-Sozialfonds wenig.
In Brüssel ist von Staat und von Sozialpartnern die Rede, die gefordert seien, um der Jugendarbeitslosigkeit Herr zu werden. Nur – die Staaten haben sich kaputtgespart, und die von EU und Internationalem Währungsfonds geforderten Reformen haben die Sozialpartnerschaft schwer geschädigt, wenn nicht völlig zerstört.
Ein Blick in die Krisenländer zeigt: Reformen, die wie in Spanien und in Griechenland trotz heftiger Proteste umgesetzt wurden, liberalisieren den Arbeitsmarkt. Das schafft keine neuen Jobs, sondern erleichtert Entlassungen.
ist Spanien-Korrespondent der taz.
In Spanien wurden nun mal wieder spezielle Arbeitsverträge für junge Menschen eingeführt. Diese genießen noch weniger Kündigungsschutz, und die Löhne sind meist so niedrig, dass ein eigenständiges Leben nicht möglich ist. Spanien habe seine Hausaufgaben gemacht, loben Brüssel und Berlin diese Politik.
Die Folge: Wer ein gute Ausbildung hat und Sprachen spricht, sucht sein Glück im Ausland. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wanderten 55.000 meist junge Spanier aus. Bis zum Ende des Jahrzehnts dürfte Spanien eine Million Einwohner verlieren. Die deutsche Wirtschaft profitiert davon. Noch nie konnte sie hoch qualifizierte Menschen so günstig aussuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen