Kommentar: Jan Kahlcke über die gescheiterte Olympiakampagne: Stinkseriöse Bürger
In Hamburg sagt man Nein. Nein zu Olympischen Spielen. Nein aber vor allem zu einer Finanzierung, die zu viele Fragen offen lässt.
Ironischerweise hat sich das Volk als hanseatischer erwiesen als die Wirtschaft, die ja aus allen Rohren für Olympia gefeuert hatte. Hanseaten sind sehr konservative Geschäftsleute. Ihre Taschen machen sie auf, wenn ihnen ein Investment als sicher erscheint. Und das tat diese Olympiabewerbung ganz offenbar nicht.
Es ist vielleicht ungerecht, dass Finanzprognosen seit dem Elbphilharmonie-Debakel eher reserviert aufgenommen werden, denn das hatte ja die CDU verbockt. Selbst Schuld ist Rot-Grün dagegen daran, dass die Hamburger über einen Kostenplan mit einer Unbekannten von mehreren Milliarden Euro abstimmen mussten. Denn eine Finanzzusage vom Bund war so früh nicht zu kriegen.
Haben nun die Zukunftsskeptiker gewonnen? Die Verzagten, die selbstgenügsamen Fortschrittsverweigerer, die Angstmacher? Sind in Hamburg künftig keine großen Würfe mehr möglich? Nein, gewonnen haben die, die einen anderen Begriff von Fortschritt haben als den des schneller, höher, stärker. Jene, die nicht alles auf eine Karte setzen und dafür hinterher jahrzehntelang zahlen wollen. Jene, die die Stadtentwicklung nicht dem IOC anvertrauen wollen.
Was spricht denn dagegen, auch ohne Olympia die ohnehin schwächelnden Hafenfirmen vom Kleinen Grasbrook umzusiedeln – wenn ihre Pachtverträge auslaufen und man ihnen keine üppigen Ablösesummen zahlen muss? Und dann, in 20, 25 Jahren vielleicht, könnte man dort einen neuen zentralen Stadtteil konzipieren.
Es ist in Hamburg schwer geworden, gegen das Volk zu regieren. Nach dem Rückkauf der Energienetze ist Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wieder in einem Volksentscheid unterlegen, Schwarz-Grün ist sogar über die verlorene Primarschulreform zerbrochen. Neu ist, dass sich der Senat in einem Referendum von oben nicht durchsetzt – obwohl er den zeitlichen Ablauf und die Abstimmungsunterlagen zu seinem Vorteil gestalten und Millionen ausgeben konnte.
Das Hamburger Abendblatt beklagt nun schon, durch das Nein zu Olympia werde die Autorität des Senats geschwächt. Bei einem Senat, der bisweilen autoritäre Anwandlungen hat, wäre das vielleicht gar nicht so verkehrt.
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