piwik no script img

Kommentar Jamaika in Schleswig-HolsteinHeiraten tut nicht weh

David Joram
Kommentar von David Joram

Es steckt viel Grün im Jamaika-Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein. Auch die CDU kann nicht klagen. Paradiesisch wird es trotzdem nicht.

Auf in hoffnungsvolle Zeiten, Schleswig-Holstein wird jetzt karibisch Foto: dpa

J amaika liegt künftig in Schleswig-Holstein. Am Montagmorgen stimmten die Mitglieder der Grünen dem Koalitionsvertrag zu. Stolze 84,3 Prozent votierten für das ausgehandelte Vertragswerk mit CDU und FDP. Damit ist, sieben Wochen nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, das „Jamaika“-Bündnis von CDU, Grünen und FDP so gut wie perfekt. Für die FDP muss am Montagabend zwar noch ein Kleiner Parteitag endgültig entscheiden. Dies galt aber als Formsache.

Das Ergebnis der Grünen ist beeindruckend, überrascht aber nur auf den ersten Blick. Denn es spiegelt vor allem zwei Dinge wider. Erstens: Die grünen Spitzenkräfte, Finanzministerin Monika Heinold und Umweltminister Robert Habeck, haben ihren Laden voll im Griff. Sie predigten, dass viel Grün im Koalitionsvertrag stecke – und die Basis glaubte ihnen gerne. Und zweitens steckt ja tatsächlich viel Grün mit drin, wo auch CDU und FDP mit draufsteht. An eine liberale Drogenpolitik will man sich wagen, sich für die Homo-Ehe einsetzen, das Grundeinkommen modellartig ausprobieren, E-Mobilität und ÖPNV voranbringen – und die Energiewende sowieso. Alles Punkte, die der grünen Wählerschaft am Herzen liegen. Ist Jamaika also tatsächlich ein grünes Paradies?

Jedenfalls erwecken die oben genannten Punkte den Eindruck, als hätte vor allem die CDU recht wenig Grund zur Freude am schwarz-grün-gelben-Mix.

Tatsächlich stellt aber auch sie das Vertragswerk als großen Erfolg heraus. Weil sie zwar weiß, dass sie ihren Juniorpartnern viele Zugeständnisse gemacht hat. Andererseits, und das ist mindestens genauso wichtig für das CDU-Binnenklima, werden viele Punkte der eigenen Wählerschaft kaum weh tun.

Wen kümmern überkommene Werte?

Daniel Günther, der neue moderne Konservative, der mit seinen 43 Jahren und frischem Auftreten für einen Generationenwechsel steht, hat am Freitag die Delegierten locker von der Partnerschaft mit den Grünen überzeugen können. Ohne Gegenstimme nickte der CDU-Parteitag den Vertrag ab, obwohl ein paar zentrale Wahlversprechen nicht umzusetzen sind: Größere Abstände etwa zwischen Siedlungen und Windkraftanlagen, die am Veto der Grünen scheiterten.

Trotzdem gab es kaum Widerworte. Die CDU ist halt die CDU. Da zählt ein Ministerpräsident eben viel mehr als irgendwelche Leitlinien oder Wahlversprechen. Zumal in der Bildungspolitik der Wechsel von G8 auf G9 fast wie versprochen umgesetzt wird – und mächtig in den Verkehr investiert werden darf. Da lässt man sich dann gerne liberalisieren und trauert nicht irgendwelchen Wertevorstellungen nach, die eh längst überholt sind. Stichwort Homo-Ehe.

Für die lässt sich auch die FDP um ihren Landeschef Heiner Garg, der mit einem Mann zusammen ist, feiern. Hinzu kommen viele Vereinbarungen, die unternehmerfreundlich sind und liberale Wirtschaftspolitik zulassen.

Bei Wirtschaft und Verkehr ist Jamaika kein grünes Paradies, ein paar Radwegen zum Trotz. Beim Rest schon eher – sofern sich die Grünen in den vielen Detailfragen, die im Vertrag bewusst offen gelassen wurden, durchsetzen können. Die Basis glaubt an den Traum vom Paradies.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

David Joram
Volontär
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Der lange Marsch...

     

    Genau da gehören die wertkonservativen Grünen hin:

    Nach Jamaika an die Seite von CDU und FDP. Das war der lange Marsch durch die Institutionen...

  • Schiefes Sprachbild! Adam und Eva haben nicht regiert im Paradies. Da hatte nämlich Gott das Sagen. Und zwar allein.

     

    Obwohl: Wenn „viele Vereinbarungen“ dieses "Ehevertrages" zu dritt tatsächlich „unternehmerfreundlich sind und liberale Wirtschaftspolitik zulassen“, sind CDU, FDP und Grüne ja vielleicht doch drin im Paradies, sobald sie auf ihre jeweiligen Posten geklettert sind. Dann werden sie regiert. Von einem Gott, der immer noch „die Wirtschaft“ heißt und nicht „der Souverän“.

     

    Und wenn sie nicht gestorben sind oder gegen Verbote aufbegehren, die „Gott“ Wirtschaft selbstherrlich zwar nicht erlassen aber vorbereitet hat, werden sie auch nicht aus dem Paradies vertrieben werden. Wir anderen dürfen uns einstweilen weiter unter Schmerzen mühen auf dem steinigen Acker vor dem schweren eisernen Tor in Gottes großer, dicker Mauer.

  • "Beim Rest schon eher – sofern sich die Grünen in den vielen Detailfragen, die im Vertrag bewusst offen gelassen wurden, durchsetzen können."

     

    In dem Vertrag liest man wirklich sehr oft: Wir streben an.