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Kommentar Israels WehrpflichtreformOrthodoxer Kulturkampf

Kommentar von Georg Baltissen

Israels Ministerpräsident muss ein Gesetz ausarbeiten, das orthodoxe Juden zur Wehrpflicht zwingt. Nur mit einem Trick wird er seine Koalition retten können.

D as werden sich die Ultraorthodoxen keinesfalls bieten lassen. Dass nun alle rund 70.000 frommen Thora-Schüler Ende August zum Dienst in der israelischen Armee antreten werden, ist unwahrscheinlich.

Dennoch ist das Urteil des Obersten Gerichtshofs bahnbrechend. Es hebt die Privilegierung einer religiösen Minderheit innerhalb der israelischen Gesellschaft auf und verlangt von der Politik, ein Gesetz für den Dienst in der Armee zu schaffen, das eine weitgehende Gleichbehandlung aller Bürger, zumindest der jüdischen, garantiert. Das dürfte noch für gewaltigen politischen Zoff sorgen.

Die ultranationalistische Koalitionsregierung von Benjamin Netanjahu steht vor einer schweren Zerreißprobe. Ihre Mehrheit beruht nämlich auf den 16 Abgeordneten der strengreligiösen Parteien Schas und Vereinigtes Thora-Judentum. Treten diese aus der Regierung aus, weil sie mit der Neufassung des Gesetzes nicht einverstanden sind, hat Netanjahu keine Mehrheit mehr. Er müsste sich neue Koalitionspartner suchen oder vorgezogene Neuwahlen ausrufen. Möglich ist beides, wahrscheinlich aber nicht.

Bild: taz
Georg Baltissen

ist Redakteur im Auslandsressort der taz.

Obwohl alle anderen Regierungskoalitionäre das Urteil des Obersten Gerichtshofes begrüßt haben, wird die Neufassung des Gesetzes keineswegs ähnlich schnell und eindeutig verlaufen. Netanjahu wird alles tun, um die Ultraorthodoxen nicht zu verprellen. Dafür wird er ganz tief in die Trickkiste greifen. Und er kann sich relativ sicher sein, dass seine Koalitionspartner ihm da nicht allzu laut widersprechen werden.

Vielleicht werden ein paar der Strenggläubigen mehr einen "nationalen Dienst" leisten müssen. Ganz sicher aber müssen die Ultraorthodoxen nicht damit rechnen, dass die Militärpolizei die frommen Schüler in die Armee presst. Diesen Kulturkampf wird diese Regierung nicht ausfechten.

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Auslandsredakteur
61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.
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12 Kommentare

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  • H
    Heiko

    "Kein orthodoxer Jude würde freiwillig in der israelischen Armee dienen. Denn dort sind Frauen Teil der Truppe und, jetzt kommts, (weitestgehend) gleichberechtigt"

     

    Die meisten Juden in Israel sind orthodoxe Juden, auch im Militär. Und mittlerweile gibt es bereits auch ultraorthodoxe Juden im Militär, was kürzlich zu Spannungen innerhalb des Offizierskorps führte. Und nein, in Israel wird niemand gezwungen Offizier zu werden.

  • I
    ich

    Kein orthodoxer Jude würde freiwillig in der israelischen Armee dienen. Denn dort sind Frauen Teil der Truppe und, jetzt kommts, (weitestgehend) gleichberechtigt.

  • V
    Volksverdummung

    .

    @Stefan -(22.02. um 20.47)-

    .

    1. Ich zitiere: "´Ultranationalistische Koalitionsregierung` ... mehr fällt dem ultrastalinistischen Autor nichts ein?"

     

    Da es IHNEN missfällt, dass der Autor die gegenwärtige israelische Koalitionsregierung als "ultranationalistisch" einstuft, ersuche ich Sie um einen differenzierten, SINNVOLLEN KORREKTURVORSCHLAG.

    .

    2. Leute, die glauben, dass Sie Andersdenkende wahlweise nur als "Antisemiten", oder als "Stalinisten" zu verunglimpfen brauchen, beweisen stets aufs Neue, dass Ihnen Argumente und kritisches Denkvermögen abhanden gekommen sind.

     

    Sie sollten sich bei dem "Ultrastalinistischen" in aller Form ENTSCHULDIGEN, schon weil der Artikel sachlich gehalten ist, und dieses Forum KEIN KRIEGSSCHAUPLATZ sein sollte.

    .

    3. Sie sind bei JEDEM Artikel dabei, wenn es um die Belange Israels geht, allerdings hat man NICHT gerade den Eindruck, dass Sie sich allzu viel Sorgen um das Ansehen Israels in der Welt machen.

     

    Warum steuern Sie nicht einmal EIGENE Ideen, Gedanken und Hinweise bei?

    Warum skizzieren Sie nicht einmal IHRE VORSTELLUNGEN für einen FRIEDEN in Palästina?

    Oder: gibt es da am Ende gar keine -Friedensvorstellungen?

    .

    HESSE

    .

  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    @Böhser Onkel:

     

    Seit wann ist es denn ein "Privileg" bei "Caritas, Diakonie oder sonstigen konfessionellen Einrichtungen [zu] arbeiten"?

  • S
    Stefan45

    @Böser Onkel

    "Jemand der geschieden ist, neu geheiratet hat oder bekennt, homosexuell zu sein ist seinen Job los."

     

    --> Dieser Satz stimmt nur (!) für die Caritas und den katholischen Arbeitgeber.

     

    Bei den evangelischen Landeskirchen der EKD und der Diakonie dürfen Mitarbeiter offen homosexuell sein ("die EKD und deren Landeskirchen haben bereits seit 2000 mit dem Grundsatzpapier Verantwortung und Verlässslichkeit stärken homosexuelle Paare ethisch und theologisch anerkannt und bewerten diese im Unterschied zur katholischen Religionslehre nicht als sündhaft"); homosexuelle Paare dürfen sich am Standesamt verpartnern und ebenso dürfen dort heterosexuelle Mitarbeiter sich scheiden lassen und neu heiraten: sie werden ohne Problem weiter beschäftigt. Bei den Evangelen ist das kein Problem.

     

    Bitte nicht die Verhältnisse hier zwischen Diakonie und Caritas durcheianderwirbeln und generalisieren, denn dies ist schlichtweg falsch, was Sie dort formulieren.

     

    --------

    Was das orthodoxe Judentum angeht, da sei geantwortet: einfach Zivildienst in Israel vorschreiben, dann hat die derzeitige Regierung das Urteil erfüllt.

  • T
    Tom

    Falsche Perspektive. Es ist von sehr vielen nicht gewünscht, dass Orthodoxe einberufen werden, weil dies einerseits die Armee in unermessliche organisatorische usw. Schwierigkeiten bringt und andererseits einige Orthodoxe antizionistisch sind.

     

    Eine Kosten Nutzen Rechnung - es ist für die Armee und die in der Armee dienenden Frauen unkomplizierter ohne Orthodoxe als mit und sich mit Sonderegelungen rumzuschlagen.

     

    Ist bisschen so wie muslimische Mädchen im Schwimmunterricht hier, es kann sich auch nicht die ganze Institution ändern wegen einiger weniger. Und für Orthodoxe ist dann halt deshalb frei - weil Verteidigung halt kein Schwimmunterricht ist.

     

    Gabs übrigens hier auch, wegen religiösen Gründen keinen Wehrdienst machen, zack gabs halt in DDR ne Bauarbeiterstaffel oder Brd-Zivieldienst.

     

    Die israelische Armee muss effektiv bleiben und kann deshalb wenig auf Sonderregeln achten, welche aber orthodoxes Leben bestimmen. Es ist weniger ein Kulturkampf - als ein Kampf um die sinnvollste Lösung für alle Beteiligten und für die Armee.

  • SI
    Sowas ist unabhängigkeit der Justiz

    Ein unglaubliches Urteil!

    Im absolut positiven Sinne! Immerhin sind diese radikalen steinzeitlichen und hauptberuflichen Bibleleser für die meisten Konflikte Israels direkt verantwortlich.

    (Siedlungsbau)

    Das ist nunmal das Problem, wenn man nichts zu tun außer biblische Texte zu interpretieren und mit seinem Glauben andere zu ärgern.

     

    Und wenn das isrelische Verfassungsgericht wirklich diesen Mut hat dann folgen da bestimmt auch noch andere Urteile um diesen Krebsschaden der Sonderrechte auszumerzen und den Jungs einfach mal die Aufgabe zu geben für Ihren Lebensunterhalt zu arbeiten.

  • HK
    Henner Kröper

    An Stelle des Militärdienstes können diese braven und gottergebenen Herren ja in den öffentlichen Verkehrmitteln eingesetzt werden um dafür zu sorgen, das die Frauen, mit Blick zu Boden, sich nur auf die hinteren (in Fahrtrichtung ) Sitzplätze setzen, damit den gefährdeten Männern auf den Vorderen Plätzen nicht das Hosentürl platzt.

    Das Alles natürlich nur, wenn das was man uns von Israel erzählt, so unglaublich es klingt, auch tatsächlich der Wahrheit entspricht.

    Die Verweigerung des Wehrdienstes ist ja durchaus nicht verwerflich, nur wenn man in einem Land wie Israel lebt, dann sollte sie in dem Fall mucks mäuschen still sein und nicht mit der Uzi als orthodoxe Herrenmenschen in der Gegend herrum laufen.

  • S
    Stefan

    "Ultranationalistische Koalitionsregierung" ... mehr fällt dem ultrastalinistischen Autor nichts ein?

  • BO
    Böhser Onkel

    Es ist schon erstaunlich wem welche Privilegien zustehen, nur weil man in irgendeiner Weise gläubig ist.

     

    Ein Blick auf Deutschland verrät dies auch. Wer bei Carritas, Diakonie oder sonstigen konfessionellen Einrichtungen arbeiten möchte oder angestellt bleiben möchte, muss gläubig sein.

     

    Jemand der geschieden ist, neu geheiratet hat oder bekennt, homosexuell zu sein ist seinen Job los. Diese strukturellen Probleme zwingen also Leute in einer Konfession zu bleiben, weil sie sonst die berechtigte Sorge haben ihren Job zu verlieren.

     

    In Deutschland werden also Juden, Muslime und Konfessionsfreie diskriminiert, obwohl diese Einrichtungen fast ausschließlich vom Staat oder der Öffentlichkeit finanziert werden.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Böhser Onkel

  • R
    Rene

    Ein bisschen substanzlos, dieser Artikel, oder? Was ist denn jetzt dieser ominöse Trick, zu dem er greift? Israelischer Zivildienst? Wow.

  • AS
    Andreas Suttor

    Das Urteil wirft ein bezeichnendes Licht auf das politische System Israels und rückt Dinge ins Licht, die die Masse der proisraelisch eingestellten Amerikaner und Europäer nicht hören und nicht sehen wollen: ein Grundkennzeichen moderner Demokratien ist die Säkularität. In dieser Disziplin schneidet die Bundesrepublik Deutschland schon schlecht ab (siehe Alimentation der Bischöfe, Religionsunterricht an staatlichen Schulen usw.usw.), aber Israel ist da noch deutlich rückständiger: der häufig als Musterdemokratie im Nahen Osten titulierte Staat bietet staatliche Alimentierung für religiös motivierte Arbeitsverweigerung und einen festen Platz für die Ultraorthodoxen im Parlament, unabhängig von Wahlergebnissen (!). Die Ausdehnung der Wehrpflicht auf die Ultraorthodoxen ist daher nur ein erster winziger Schritt in Richtung einer wirklichen Demokratie - mehr aber auch nicht.