Kommentar Israels Siedlungspolitik: Siedlerlobby kommt gut weg
Die illegale Siedlung Amona muss abgerissen werden, so das oberste Gericht. Doch das Urteil ist kein schlechter Deal für die Verfechter Großisraels.
U nter dem Strich ist das Urteil des obersten Gerichtes in Israel in Sachen Siedlungspolitik für die Verfechter der jüdischen Besiedlung Großisraels vermutlich gar kein so schlechtes Geschäft. Ein paar Dutzend Mobil- und Fertighäuser in der illegalen Siedlung Amona werden bis Weihnachten den Bulldozern zum Opfer fallen, weil sie auf privatem palästinensischem Boden errichtet wurden. Das Gericht entschied im Sinne der palästinensischen Grundstückseigentümer, die sich auf dem Rechtsweg zurückholen, was ihnen zusteht.
Anstelle der zerstörten Wohnmobile sollen knapp einhundert neue Wohnungen in einer benachbarten und aus israelischer Sicht „legalen“ Siedlung errichtet werden, um den Schaden, der den temporär obdachlosen Siedlern entsteht, zu kompensieren. Das sind rund zwei neue Wohnungen für jeweils ein zerstörtes Wohnmobil und damit Wohnraum für doppelt viele Siedler. Für die Zweistaatenlösung mag diese Rechnung kaum aufgehen. Das Gerichtsurteil und die Räumung ist trotzdem sinnvoll.
Das Beispiel Amonas könnte Schule machen und mehr palästinensische Grundstückseigentümer dazu ermutigen, das eigene Land vor Gericht zurückzufordern. Jeder weitere Richterspruch für die Beraubten wäre Zeugnis für das Unrecht, das vielen Palästinensern im Westjordanland angetan wird und das in der israelischen Öffentlichkeit kaum noch Beachtung findet. Jedes neue Verfahren wäre damit Katalysator für die innerisraelische Debatte, gerade jetzt, wo ein Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt, mit dem die illegalen Siedlungen rückwirkend legalisiert werden sollen.
Ungeachtet des für sie günstigen Handels werden die Siedler mobil machen und Widerstand leisten gegen die Räumung Amonas, schon aus Prinzip. Der Regierungskoalition steht eine Belastungsprobe bevor, die sie bestehen dürfte. Das Bündnis zwischen rechts, rechts-national und rechts-religiös bedarf einer heftigeren Erschütterung, um es zu Fall zu bringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?