Kommentar Israel: Selbstverbrennung umsonst
Die sozialen Proteste in Israel zeigen vor allem die Ohnmacht der Ärmsten. Ohne die Unterstützung des Mittelstandes haben sie kaum Chancen auf Verbesserungen.
D er Vergleich von Mohamed Bouazizi mit Mosche Silman hinkt. Zwar steckten sich beide aus Verzweiflung selbst in Brand, doch während Bouazizi damit den Arabischen Frühling ins Rollen brachte, wird sich durch das Leid von Silman in Israel kaum etwas ändern. Die Sozialbewegung, die noch im letzten Jahr Hunderttausende Demonstranten auf die Straßen brachte, liegt in den letzten Zügen.
Ähnlich wie Silman haben Zigtausende Israelis Grund zur Verzweiflung. Jeder Fünfte lebt bis heute unter der Armutsgrenze. Was die öffentlichen Statistiken dennoch günstig beeinflusst, sind staatliche Wirtschaftsförderungsprogramme, mit denen es gelang, vor allem im arabischen und im ultraorthodoxen Sektor die Situation der Menschen zu verbessern. Vor vier Jahren lebte noch jeder vierte Bürger Israels unter der Armutsgrenze.
Es gibt weniger Arme im Land und doch gleichzeitig mehr Millionäre. Die soziale Ungerechtigkeit, die nicht nur für die Armen ein Problem ist, sondern auch für weite Teile der Mittelschicht, bedrückt die Regierung Benjamin Netanjahus in Wirklichkeit nicht.
ist taz-Korrespondentin in Jerusalem.
Zwar entschied er jüngst gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und vergrößerte dafür das Defizit. Dabei dürfte er das Wahljahr 2013 im Sinn gehabt haben. Mit einer neuen Regierung kann er wieder eine unpopulärere Finanzpolitik betreiben. An einer grundlegenden Neuverteilung der Steuerlast wie umgekehrt an der Umverteilung der staatlichen Ausgaben ist er nicht interessiert.
Die Armen in Israel waren die Ersten, die sich der Gruppe von Dafni Lief am Rothschild-Boulevard anschlossen, und sie waren die Letzten, die ihre Zelte wieder abbauten. So hartnäckig sie sind, werden sie ohne die Rückendeckung des Mittelstandes, der im letzten Jahr den Protest mittrug, ihrem Ziel nicht näher kommen.
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