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Kommentar IsraelBewegung in der Stagnation

Kommentar von Moshe Zuckermann

Das rechte Spektrum hat sich ausdifferenziert, es wird nicht leichter für Netanjahu. Fest steht im Moment nur: Frieden mit den Palästinensern wird es nicht geben.

D er Wahlausgang in Israel bringt zwei große Überraschungen: „Halikud Beitenu“, eine Fusion der Parteien Benjamin Netanjahus und Avigdor Liebermanns, hat die Wahl zwar gewonnen. Doch schon jetzt ist klar, daß sich Netanjahu als kommender Premierminister schwer tun dürfte, eine regierungsfähige, seinen gesinnungsgestählten Vorstellungen entsprechende Koalition zu bilden, die zudem eine volle Amtsperiode durchhalten kann.

Dass seine Partei nur knapp über 31 Mandate erringen würde, das war noch vor einer Woche ganz und gar nicht abzusehen.

Als noch größere Überraschung allerdings dürfte der mit 19 Mandaten überwältigende Wahlerfolg Yair Lapids und seiner Partei „Yesh Atid“ gelten, womit der Polit-Newcomer, ehemaliger TV-Moderator und Publizist, an der Spitze der zweitgrößten Partei der kommenden Legistlaturperiode steht.

Die Arbeitspartei unter Führung von Schelly Jachimowitsch, die orientalisch-orthodoxe Klientel bedienende Shas-Partei, die rechte nationalreligiöse Partei Neftali Bennetts „Habayit Hayehudi“, die allesamt mehr oder minder würdige Wahlerfolge zu verzeichnen haben, und die eher enttäuschende „Hatnua“ Tsippi Livnis – sie alle vermitteln das Gefühl einer Pattsituation.

MOSHE ZUCKERMANN

ist Professor für Geschichte und Philosophie an der Uni Tel Aviv. Im Laika-Verlag erschien sein jüngstes Buch: „Wider den Zeitgeist: Aufsätze und Gespräche über Juden, Deutsche, den Nahost-Konflikt und Antisemitismus“ (Laika).

Nicht von ungefähr verkündete Netanjahu kurz nach Bekanntwerden der vorläufigen Wahlergebnisse, eine möglichst breite Regierungskoalition bilden zu wollen.

Arie Deri, starker Mann der Shas-Partei, rief gar zur Bildung einer nationalen Großen Koalition auf. Wie das aber gehen soll, dürfte zur Zeit niemandem so recht klar sein. Denn Yair Lapid muß unbedingt als gewichtiger Koalitionspartner berücksichtigt werden; er will sich auch an der kommenden Regierung beteiligen, und zwar an prominenter Stelle.

Wie aber soll er sein populistisch proklamiertes Wahlversprechen einhalten, für die Gleichheit in der Wehrdienstleistung zu kämpfen, wenn genau dieses Ziel den orthodoxen Parteien, den sogenannten "natürlichen Verbündeten" Netanjahus, als ein nicht hinnehmbarer Tabubruch gilt?

Wie soll das unter einen Hut gehen?

Kommt es hingegen zu einer Koalition ohne die orthodoxen Parteien – ein Novum in der israelischen Parlamentspraxis –, wie soll sich Tsippi Livnis Anspruch auf Bewegung in den Friedenverhandlungen mit den Palästinensern mit der kruden Siedler-nahen Ideologie Naftali Bennetts (und letztlich auch Netanjahus) vereinbaren lassen?

Sollte sich Shelly Jachimowitsch dazu bewegen lassen, einer Großen Koalition beizutreten, wie soll sich ihre sozialdemokratische, auf „soziale Gleichheit“ ausgerichtete Gesinnung mit Netanjahus radikalkapitalistischen Neoliberalismus unter einen Regierungshut bringen lassen?

Schafft man es aber nicht, eine breite Koalition zu konsolidieren, dürfte sich bei einem Kräfteverhältnis von 60 Mandaten für den rechten und 60 Mandaten für den mitte-linken Block (ausgezählt sind 99 Prozent der Stimmen) die Lebensfähigkeit der nächsten Regierung als eher erbärmlich erweisen.

Nichts Gutes

Eines freilich ist jetzt schon klar: Für das schiere Anvisieren des Konflikts mit den Palästinensern, geschweige denn, für seine Lösung, verheißt dieser Ausgang der Wahlen nichts Gutes.

Überraschend ist das nicht, denn genau dieses „Thema“ wurde von allen Parteien, die bei der jetztigen Wahl gute Erfolge erzielt haben, in ihren Wahlkampagnen wohlweislich ausgespart. Jene, die sich damit um Wählerschaft bemüht haben – „Meretz“, die Kommunisten, aber eben auch Livnis „Hatnua“ –, sind vom Wähler weiter marginalisiert worden.

Was trotz des Lippenbekenntnisses Netanjahus zu Beginn der auslaufenden Legislaturperiode in ihrem dann folgenden Verlauf permanent unterminiert wurde, wird sich strukturell in der kommenden Legislaturperiode fortsetzen: kein Frieden mit den Palästinensern, lediglich ein wenig Bewegung in der zur Ideologie geronnenen Stagnation.

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4 Kommentare

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  • SD
    Stimme der Demokratie

    Auch wenn es dem Kronzeugen Moshe Zuckermann nicht passt: Die Israelis haben begriffen, dass nicht in ihrer Hand der Schlüssel zu einem Frieden liegt. Größtes Friedenshindernis ist nach wie vor der Juden/Israel-Hass der Palästinenser. Die Frage, wie man den palästinensern noch weiter entgegenkommen könne, ohne dass diese sich nur einen Zentimenter bewegen, scheint für die israelischen Bürger nicht die Priorität zu besitzen.

  • IQ
    Ignaz Quadratwurzel

    „Da steh ich nun ich armer Tor

    und bin noch schwächer als zuvor“

     

    könnte es dem Netanjahu durch den Kopf gehen, aber er versucht sicher weiter, sich für den Größten (nach seiner Frau, wie manche meinen) zu halten.

     

    Wenn Lapid zu jenen gehört, denen der Siedlungsbau und die Kosten der Besatzung zu hoch sind, müsste man diese Kosten durch Sanktionen steigern. Dann wird selbst den „Religiösen“ - die seiner Meinung nach nicht arbeiten würden - nicht genug abzuzwacken sein, damit Lapid das Siedeln in Gänze hinnimmt.

     

    Benett hingegen, der neue Prophet, will kein Stück „Israel“ abgeben, was nicht nur wieder mal die Schreibweise in „Gänsefüßchen“ logisch erscheinen lässt,

     

    http://www.jpost.com/DiplomacyAndPolitics/Article.aspx?id=300640

     

    und wird sich zumindest über die Grenzen des zu betrachtenden Gebietes sicher bald mit Bushido einigen können – vom Golan mal abgesehen.

     

    Beinahe wolle ich noch vom Friedenslager schreiben,

    aber wie man zu lernen hatte, soll sich der Begriff „Lager“ unter Umständen verbieten,

    und mit einem Ferienlager ist ja auch keinem gedient, wenn man der diesbezüglichen Aufregung der letzten Zeit glauben schenken darf.

     

    Wenn nicht Lager, so dann doch von Blöcken ist zudem die Rede. Eines soll links, das andere rechts sein.

    Aber kann man den Begriff „Block“ hier wirklich verwenden dürfen, so wie „Lager“?

  • G
    Gonzi

    Beim Zdf Korrespondenten hatte ich gestern bemerkt,

    wie dieser die prägende Haltung von Benetts Partei, das Westjordanland weitestgehend zu annektieren, überhaupt nicht erwähnte,

     

    Stattdessen stellte der die in eine Reihe von Parteien, für die er angab, dass eine Zweistaatenlösung, nicht ihre oberste Priorität sei.

    Wie man solch eine Darstellung bezeichnen muss – es handelt sich beim ZDF um Profis, die sich dort unten tagtäglich vor Ort sind?

     

    Ungenau?

     

    Von der dapd (in verschiedenen Blättern abgedruckt) wiederum ist eine sonderbare Konstruktion zu lesen, über das „..Streben nach einem "echten Frieden" mit den Palästinensern, was Lapids Hauptforderungen entgegenkommt...“.

     

    Vor diesem „Streben“ nannte die dapd in einer Art von ersten Teil einer Aufzählung den Wunsch nach Reformen bei religiösen Sonderrechten.

    Wie auch immer, man bekam den Eindruck als würde Lapid darauf brennen, den Siedlungsunwesen entgegenzutreten und Verhandlungen zu beginnen.

     

    Also bleibt festzuhalten, hier in der Bundesrepublik wird man weiter versuchen, alles schön glatt und vernebelnd darzustellen.

     

    Da ist Moshe Zuckermann schon eine andere Hausnummer, übrigens auch die Beiträge im nd, die nachts laufend aktualisiert wurden, denn auch da wurden Einzelstimmen aus den Lagern aufgeführt, die recht erhellend waren.

  • A
    anonym

    was ein quatsch. klar, livni hat ein wenig mehr erwartet. aber meretz hat die mandate verdoppelt - von abstrafen kann also keine rede sein. wenn zuckermann nicht mal mit fakten arbeiten kann, was soll man dann von seinen prognosen halten?