Kommentar Islamisten in Mali: Mali ist Symptom
Mali droht nach dem Tuareg-Aufstand, dem Putsch und dem Einrücken radikaler Islamisten der Zerfall. Das wirft ein Licht auch auf den Realitätssinn westlicher Politik.
D ie Krise in Mali ist viel mehr als eine Krise in Mali. Erst war es bloß ein Aufstand bewaffneter Tuareg gegen die Zentralmacht in Bamako. Jetzt sind die radikalen Islamisten der „al-Qaida im Islamischen Maghreb“ eingerückt. Ein ganzes Jahrzehnt westlicher Eindämmungspolitik des bewaffneten Islamismus in der Sahara-Sahel-Region steht vor dem Scheitern.
Das ist eine direkte Folge der nordafrikanischen Revolutionen des Jahres 2011. Der Libyenkrieg und der Sturz des Gaddafi-Regimes setzten gigantische Waffenarsenale frei, an denen sich die bewaffneten Gruppen der Region bedienen können.
Die Demokratisierung von Tunesien und Ägypten hat darüber hinaus das politische Wiedererwachen des radikalen Salafismus, abgegrenzt vom traditionellen Islamismus, sichtbar gemacht. Beide Entwicklungen strahlen in den gesamten muslimischen Teil Afrikas aus, wo die Unzufriedenheit der Menschen groß und die Handlungsfähigkeit der Staaten gering ist.
Dass ausgerechnet in Mali, Lieblingspartner der internationalen Gemeinschaft in Westafrika, jetzt der komplette Zerfall droht, wirft ein Licht auf den Realitätssinn europäischer und US-amerikanischer Politik in der Sahelregion.
Würde die Welt die Bedrohung durch herrenlose Waffenarsenale und militante Islamisten in Mali ernst nehmen, müsste sie dagegen etwas tun. Doch sie verhängt scharfe Sanktionen gegen junge Militärs, die aus Wut über den Zerfall des Landes in der Hauptstadt geputscht haben, und isoliert damit ihren einzigen potenziellen Verbündeten.
Jetzt muss erst mal der malische Flächenbrand gelöscht und eine Neuordnung des Staates angegangen werden. Jenseits dessen aber darf die Welt nicht mehr Zuschauer bleiben, wenn es um die Vollendung der demokratischen Neuordnung Nordafrikas geht. Die arabischen Revolutionen strahlen weit über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus. Der Sturm in der Sahara beweist es.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
FDP-Chef Lindner verabschiedet sich aus der Politik
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“