Kommentar Iran: Neue Dimesion in Teheran
Ihre stärksten Waffen sind ihre Friedfertigkeit, ihr Zusammenhalt und ihre Hoffnung. Einer der Protestrufe lautet:"Jetzt, wo wir vereint sind, wovor sollen wir dann Angst haben?"
D ie Protestbewegung in Iran hat eine neue Dimension erreicht. An Aschura, dem traditionellen schiitischen Trauerfest, haben die Iraner ihre Trauer und Wut auf das Regime gerichtet. Ganz Teheran ist voll von Demonstranten, und der Protest beschränkt sich nicht auf die Hauptstadt. Auch in Isfahan, Schiras, Ardabil und Nadschaf Abad sind die Menschen auf den Straßen. Ihre Anzahl geht in die Millionen.
Das Arbeitsverbot für ausländische Journalisten verhindert nicht, dass die Welt erfahren kann, was in diesen Tagen und Stunden im Iran passiert. Am vergangenen Donnerstag etwa haben die Sicherheitskräfte Raschid Esmaili, ein Mitglied der liberalen Studentenorganisation, in Isfahan festgenommen. Er ist schwer an Krebs erkrankt und bedarf täglich medizinischer Behandlung. Berichtet wurde dies auf mehreren regimekritischen Internetseiten, die sich der Zensur erfolgreich widersetzen.
In Teheran haben die Milizen an diesem Sonntag ein Haus angezündet, mindestens drei Menschen erschossen und zahlreiche andere mit Messern, Metallketten und Tränengas verletzt. Die friedlichen Demonstranten haben die Sicherheitskräfte und Basidsch-Milizen in der Hauptstadt zurückgedrängt und an zentralen Stellen die Kontrolle übernommen. Ihre stärksten Waffen sind ihre Friedfertigkeit, ihr Zusammenhalt und ihre Hoffnung. Einer der Protestrufe an diesem historischen 27. Dezember lautet: "Jetzt, wo wir vereint sind, wovor sollen wir dann Angst haben?".
schreibt als freie Autorin über den Iran und die USA. Sie wurde in Teheran geboren, wuchs in Deutschland auf und studierte Theaterwissenschaft, Amerikanistik und Soziologie in Bayreuth, Forschungsaufenthalte führten sie nach New York und an die Yale University.
In diesen Stunden erscheint es unwahrscheinlich, dass die Sicherheitskräfte die Kontrolle wiedererlangen können. Die Islamische Republik hat aus der Geschichte nichts gelernt. Denn keine Diktatur dieser Welt bleibt ewig an der Macht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen