Kommentar Integration Österreich: Wiener Blut und Boden
Österreichs Staatsbürgerrechtsnovelle gibt sich modern, ist es aber nicht. Immer noch geht es um Anpassung, nicht um Inklusion.
D ie Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft soll künftig vom Abspielen der Bundeshymne begleitet werden. Die weihevolle Zeremonie vor der Fahne der Republik soll sechs oder zehn Jahre strebsamer Integrationsbemühungen belohnen. Anders als die moderne Migrationsforschung, die die Einbürgerung als Beginn einer erfolgreichen Integration sieht, gilt sie Österreichs Regierung, vor allem der konservativen ÖVP, als krönender Höhepunkt.
Darin unterscheidet sich die eben akkordierte Staatsbürgerschaftsnovelle nicht von der geltenden Gesetzeslage. Österreich stellt nach wie vor auf das Jus Sanguinis ab: Nur wer von Österreichern abstammt, ist auch kraft Geburt Österreicher oder Österreicherin. Ein wirklich modernes Gesetz würde damit Schluss machen, dass Kinder als Ausländer zur Welt kommen und das ihr Leben lang bleiben können, ohne ihr vermeintliches Heimatland je gesehen zu haben.
Der neue Entwurf gibt sich modern und geht doch an der Realität meilenweit vorbei. Die den Zuwanderern abverlangte Einkommensgrenze wird auch von den meisten inländischen Arbeitskräften nicht erreicht. Zuwanderer bekommen selten gut bezahlte Jobs.
ist taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn.
Und ehrenamtliche Tätigkeit verliert, wenn sie als Kriterium verordnet wird, ihr wichtigstes Merkmal: die Freiwilligkeit. Außerdem sind Fälle bekannt, dass Zuwanderer von bodenständigen Vereinen wie der Freiwilligen Feuerwehr gar nicht aufgenommen wurden.
Immer noch geht es um Anpassung und nicht um Inklusion, die auch der alteingesessenen Bevölkerung etwas abverlangt. Es bedarf keiner prophetischen Fähigkeiten, vorauszusagen, dass in wenigen Jahren eine neue Novelle fällig sein wird. Hoffentlich gibt man sich dann nicht mit kosmetischen Eingriffen zufrieden, sondern hört auf Leute, die etwas von der Materie verstehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei