Kommentar Innere Sicherheit: Caffier zeigt Flagge
Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, hat ganz eigene Ideen von Gleichberechtigung und Datenschutz.
V iel Streit über Solidarität und Gleichberechtigung in diesen Tagen: Sogar einige Ministerien – unter ihnen das mecklenburg-vorpommersche Innenministerium – sind dagegen, zumindest wenn Solidarität und Gleichberechtigung bedeuten, dass regenbogenfarbene Flaggen an öffentlichen Gebäuden zu sehen sind.
Wie gut, dass Lorenz Caffier, Innenminister des Landes, nicht nur zuständig für Flaggen ist, sondern auch für innere Sicherheit, also auch für Computer im weitesten Sinne. Caffier gehört zu den Leuten, die sonst gern das Mantra vor sich her beten, das Internet dürfe auf gar keinen Fall ein rechtsfreier Raum sein. Woraus sich dann Forderungen wie die nach Netzsperren ergeben oder nach der Vorratsdatenspeicherung.
Caffier jedenfalls offenbarte diese Woche in einem Gastbeitrag für die Zeit sein profundes Wissen: Die Snowden-Enthüllungen seien für Leute vom Fach gar nichts Neues. Computer seien nun mal gefährlich. Sobald man sie anschalte, habe sich jemand reingehackt und lese mit. Weiß man doch.
Was man tatsächlich gern wüsste, ist, woher Caffier schon vor den Snowden-Enthüllungen von der massenhaften Verletzung von Grundrechten wusste. Vielleicht kann er ja da dem Untersuchungsausschuss des Bundestags weiterhelfen – der ist noch auf der Suche nach Beweismaterial. Interessant ist auch, dass Caffier an der Stelle, wo die „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“-Rufer dem Bürger sonst jegliche Eigenverantwortung absprechen, genau diese einfordert. Jeder solle doch selbst darauf achten, dass er nicht alles von sich im Netz preisgibt.
Nicht nur, dass Caffier da Hacking, unberechtigtes Mitschneiden von Daten und das freiwillige Veröffentlichen zusammenrührt. Er ist ein Verfechter der mittlerweile gekippten Vorratsdatenspeicherung statt der Grundrechte– zum Beispiel des altmodischen Fernmeldegeheimnisses. Für dessen Schutz könnte, ja, müsste sich ein Politiker einsetzen. Es sei denn, er ist der Meinung, dass die eigene Kompetenz bei der Beflaggung öffentlicher Gebäude endet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen