Kommentar Inklusion Behinderter: Alles exklusive
Vor 6 Jahren wurde die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. Noch immer ist Deutschland weit entfernt vom inklusiven Schulsystem.
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D ieses Zeugnis ist eine Ohrfeige für Deutschland: Sechs Jahre nach Unterzeichnung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist Deutschland von einem inklusiven Schulsystem weit entfernt.
Die von der Bundesregierung bezahlte Monitoring-Stelle, die ihren Bericht jetzt an den UN-Fachausschuss übersandte, stellt sogar fest, dass sich einige Bundesländer dem Auftrag, Inklusion zu verankern, ganz verweigern. Das ist nicht nur ein Rüffel für Deutschland, das ist auch eine Bankrotterklärung für den sogenannten Wettbewerbsföderalismus in der Bildung.
Wie die Siedler von Catan bestimmen die Bundesländer allein über ihre Schul- und Hochschullandschaften. Verbindliche Absprachen gibt es bestenfalls auf dem Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners. Das betrifft auch den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung. In der Kultusministerkonferenz einigten sich die Länder zwar darauf, dass er erstrebenswert sei – aber im Übrigen jedes Land selbst entscheide, wie viel Inklusion es sich leisten könne und wolle.
So ist es für ein behindertes Kind Glückssache, ob es in einem Bundesland aufwächst, wo Inklusion politisches Ziel ist. Oder ob es in einem Land groß wird, welches seine Sonderschulen schützt. Die Konvention verlangt nicht deren Abschaffung. Doch solange Sonderschulen existieren, werden sie auch befüllt. Aktuell werden drei von vier SchülerInnen mit Behinderungen in ihnen unterrichtet.
Die Bundesländer waren es nicht: die Bundesrepublik hat sich seinerzeit verpflichtet, die Konvention umzusetzen und unter anderem ein inklusives Schulsystem zu schaffen. Deshalb gehört Inklusion auf die Agenda der Bundesregierung – und darf nicht den Egoismen mancher Staatskanzleien geopfert werden.
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