UNO rügt Deutschland für Inklusion: „Nicht von Erfolg gekrönt“
Nur jedes vierte Kind mit Behinderungen lernt zusammen mit anderen Kindern in einer Regelschule. Auch dafür rügen die UN die Bundesregierung.
BERLIN taz | „Sie haben uns mit einigen Fragen ganz schön ins Schwitzen gebracht“, bekannte die Vertreterin der Bundesrepublik, Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) am Freitag vor dem UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Zwei Tage wurden die Staatssekretärin im Arbeits- und Sozialministerium (BMAS) und die von ihr geleitete deutsche Delegation mit Fragen zur Umsetzung der entsprechenden UN-Konvention gegrillt.
Deutschland hatte sich darin 2008 verpflichtet, Menschen mit Behinderung gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Warum dann immer noch so viele Schüler mit Behinderungen in Sonderschulen unterrichtet würden, interessierte die UN-Ausschussmitglieder etwa.
Nur jedes vierte Kind lernt zusammen mit anderen Kindern in einer Regelschule. „Das zeigt, dass Ihre Anstrengungen zur Erreichung eines inklusiven Bildungssystems bisher nicht von Erfolg gekrönt sind“, folgerte ein Ausschussmitglied.
Auch auf anderen Feldern hat Deutschland Nachholbedarf. So wächst nach Auskunft der Bundesregierung die Zahl der Menschen, die in geschützten Werkstätten arbeiten. Durchschnittlicher Monatslohn: 200 Euro. Der Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt gelingt weniger als einem Prozent. „Das muss besser werden“, sagte ein Vertreter des BMAS.
Man wolle selbstverständlich mehr Teilhabe für alle, sagte Lösekrug-Möller und werde die Anregungen mitnehmen, um Deutschland noch inklusiver zu machen. Die gehörlose Julia Probst, ehemals bei den Piraten aktiv, twitterte an ihre 31.000 Follower: „Wenn die Bundesregierung selbstverständlich sagt, dann folgt in 99 % der Fälle ein 'ABER'. Nix verstanden.“
Leser*innenkommentare
Patricia Koller
Außenstehenden wird immer die heile Welt vorgegaukelt, aber wer durch eine Behinderung in den Strudel der Behördengrausamkeiten hineingezogen wird, erkennt sehr bald, daß man um jedes RECHT kämpfen muß. In den Amtsstuben herrscht eine Ignoranz, die unverantwortlich ist. Es geht zumeist um wehrlose Menschen und denen werden glasklare Rechtsansprüche entzogen. Erbitterte Kriege gegen stark übergriffige Sachbearbeiter sind die Folge. In Bayern pfeift man gleich ganz auf Gesetze wie die DSGVO usw. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist anscheinend niemandem in den Amtsstuben bekannt, so wie auch vielerorts die Existenz des Persönlichen Budgets für Schwerbehinderte bequemerweise verheimlicht und verleugnet wird.
Es riecht nach Willkür und Machtmissbrauch, aber selbst, wenn Behördenleiter immer wieder in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, korrigiert man nicht die Fehler der Behörde, sondern erhöht den Druck auf die Betroffenen massiv. Rechtswidrige Methoden sind hier schon keine Ausnahme mehr...
Aktivistin für die Rechte von Schwerbehinderten
austenjane
An Oberflächlichkeit nicht zu toppen - Hauptsache "Regelschule - also 25-32 Kinder pro Klasse, Sonderpädagogik nur tröpfchenweise, Lernbedingungen egal.
Ja, das ist die Geld sparende "Inklusion" der Länder.
Teure spezialisierte Sonderschulen weg - da kostet ein Kind ein Mehrfaches - und ab in die vollen Klassen.
Überlaßt die Schulwahl doch bitte den Eltern - die kennen ihre Kinder besser als diese UN-Bürokraten, die auf die deutschen Länder reinfallen. Und diese Eltern wollen ihren Kindern helfen, nicht daran sparen.
Eine Verbesserung der Lernbedingungen für alle Schulen und Kinder steht natürlich nicht auf der Agenda - das wäre ja teuer...
Auch der "Bildungs-Rassismus" des mehrgliedrigen Schulsystems scheint nicht zu stören, Hauptsache, die nehmen noch ein paar ehemalige Sonderschüler/innen.
Menschenverachtende Spar-"Bildung" nach Kassenlage.
Das ist alles.