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Kommentar HinterbliebenengeldWeil Trauer schmerzt

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Große Koalition legt einen Gesetzesentwurf zum Schmerzensgeld für Angehörige vor. Man fragt sich nur, warum es so lange gedauert hat.

Die deutsche Rechtsordnung bot Trauernden bisher nur Ignoranz, kein Mitgefühl Foto: imago/blickwinkel

W enn ein nahestehender Mensch stirbt, kann kein Geld den Verlust aufwiegen. Den Wert eines Menschen exakt zu beziffern wäre zynisch. Das ist aber kein überzeugender Grund, überhaupt kein Schmerzensgeld für Angehörige vorzusehen. Es ist deshalb zu begrüßen, dass die Koalition sich nun – kurz vor Abschluss der Wahlperiode – doch noch auf einen Gesetzentwurf geeinigt hat.

In vielen Ländern Europas gibt es bereits ein Angehörigen-Schmerzensgeld. Deutschland ist hier eher Nachzügler. Auch deshalb ist es für die Hinterbliebenen zusätzlich verstörend, wenn sie erfahren, dass die Trauer um einen geliebten Menschen in Deutschland beim Schadensersatz keine Rolle spielt. Die Rechtsordnung bietet hier bisher nur Ignoranz, kein Mitgefühl.

Die Lufthansa hat nach dem Germanwings-Absturz in Frankreich den Hinterbliebenen je 10.000 Euro angeboten. Das war reine Kulanz – die PR-Maßnahme eines Unternehmens, das um seinen Ruf kämpft. Der private Verursacher eines Verkehrsunfalls wird in der Regel jedoch nicht freiwillig bezahlen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Im Übrigen fanden auch viele Hinterbliebene des Germanwings-Unglücks die angebotene Summe beschämend niedrig.

Eine gesetzliche Regelung wird nun aber auch keine amerikanischen Zustände mit spektakulären Millionen-Urteilen herbeiführen. Das geplante neue Hinterbliebenengeld wird sich sicher in die Dimensionen der bei uns üblichen Schadenersatz- und Schmerzensgeldsummen einfügen. Es geht also höchstens um einige Zehntausend Euro. Verglichen mit dem derzeitigen Zustand, bei dem gar kein Anspruch besteht, ist das ein großer und nicht nur symbolischer Fortschritt.

Man fragt sich nur, warum es so lange gedauert hat. Selbst nach dem Germanwings-Absturz im März 2015, als alle eine schnelle Reaktion des Gesetzgebers versprachen, ist erst mal nichts passiert.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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