Kommentar Hebammen: Luxus glückliche Geburt
Der Streit um Hebammen und alternative Geburten verweist auf ein grundsätzliches Problem: Darf Ökonomie über die Gesundheit bestimmen?
S ind Hebammen, die eine Frau vom Beginn bis zum Ende der Geburt begleiten, Luxus? Ja, wenn man Klinikbetreiber fragt. Denn das Maximum verdienen kann man halt nicht, wenn eine Hebamme über viele Stunden ausschließlich für eine Frau da ist.
Aus eigener Tasche sollten Frauen diesen „Service“ trotzdem nicht bezahlen müssen. Die Gesundheitsversorgung ist in vielen Bereichen ein Markt wie jeder andere geworden. Vor allem in der Pflege setzen sich Geschäftsmodelle wie Leiharbeit durch, die Schichten in Kliniken und Pflegeheimen gelten als körperlich so anstrengend und psychisch aufreibend wie kaum ein anderer Job.
Rationalisierung in der Arbeit am Menschen ist selbstverständlich. Wer sich mehr Ruhe bei seiner Behandlung wünscht, soll eben Privatpatient werden. In der Geburtshilfe gibt es in Deutschland die Qualitätsunterschiede für diejenigen, die selbst zahlen, noch nicht. Zum Glück.
Diesen sensiblen Bereich muss der Staat absichern. Deshalb ist es gut, dass sich Frauen für Geburtshäuser und Hausgeburten und damit für eine individuelle Begleitung entscheiden können.
Die Doppelstruktur von Geburtshäusern, von denen sich werdende Mütter intensive Betreuung erhoffen und Kliniken, die vollständige medizinische Versorgung bieten, hat ihre Ursache in dem schlechten Ruf der Kreißsäle. Klinikentbindungen gelten als hektisch und unpersönlich.
Bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich – und dazu gehört auch eine finanzielle Sicherheit für Hebammen durch ausreichenden Versicherungsschutz – würden sich auch auf die Beliebtheit von Klinikgeburten niederschlagen. Ein guter Umgang mit medizinischem Personal bedeutet im selben Zug den guten Umgang mit den Schwächsten und Hilfsbedürftigen unserer Gesellschaft. Diesen Luxus sollten wir uns gönnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt