Kommentar Hartz IV: Business as usual
Klamotten für Kinder, die schnell ins Kraut schießen, müssen aus dem Regelsatz bezahlt werden. Das zeigt, wie realitätsfern die Hartz-IV-Vorgaben sind.
B ERLIN taz Hartz-IV-Empfänger haben keinen Anspruch auf zusätzliches Kleidergeld für ihre Kinder, so der Urteilsspruch des Bundessozialgerichts. Das Verdikt der Richter kommt, auch wenn manch einer anderes erhofft hatte, nicht überraschend. Es folgt der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Hartz IV.
Die Karlsruher Richter haben der Politik eben bis Ende des Jahres Zeit eingeräumt, die Regelleistungen für Kinder neu zu berechnen. Bis dahin gilt business as usual: Klamotten für Kinder, die schnell ins Kraut schießen, müssen aus dem Regelsatz bezahlt werden. Auch die Härtefallregelung greift nicht, denn jede Familie mit Nachwuchs ist mit diesem Problem konfrontiert. In der Logik des Hartz-Systems liegt also keine außergewöhnliche Belastung vor.
Das zeigt, wie realitätsfern die Hartz-IV-Vorgaben sind. Es ist eine Mahnung an die Politik, bessere Lösungen zu finden. Denn wer will schon ernsthaft behaupten, das neue Paar Schuhe oder Ersatz für den zu klein gewordenen Anorak ließen sich aus 21 Euro im Monat bestreiten, die für Kinder unter fünf Jahren für solche Posten vorgesehen sind?
ist Redakteurin bei taz-Inland.
Nicht zuletzt zeigt die lange Liste von Klagen in Sachen Hartz IV, die vor deutschen Gerichten anhängig ist, wie sehr bisher der Sparzwang, aber nicht die Würde der Menschen im Vordergrund standen. Das kann nur heißen: Die Regelsatzleistungen für Kinder müssen deutlich erhöht werden – oder man muss zurückfinden zum mittlerweile so verteufelten Mechanismus der alten Sozialhilfe, individueller und dann vor allem realistischer mit den jeweiligen Bedarfslagen der Menschen umzugehen.
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