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Kommentar Hamburger ZaunfräsenBeleidigter Rückzieher

Emilia Smechowski
Kommentar von Emilia Smechowski

Zaunkönig Schreiber hat nicht mal mehr in der eigenen Partei Rückhalt.

D er Zaun ist weg. Was bleibt, ist die Frage: Was hat Markus Schreiber, SPD-Bezirksamtsleiter in Hamburg-Mitte, als nächstes im Sinn? Dass er, auf hohen Druck von Bürgerschaft, Senat und Medien, den Zaun am Freitagnachmittag hat absägen lassen, bedeutet ja mitnichten Einsicht und Umkehr. Klar ist: Schreiber wird seine Vertreibungspolitik fortsetzen. Dass er den Bahnhofsvorplatz als Nächstes von Punks und Obdachlosen säubern will, hat er ja schon angekündigt.

Er kann auch gar nicht anders. Schreiber ist der Sheriff von Hamburg-Mitte, das ist sein Profil, das er sich zugelegt hat. Politischen Rückhalt erhält er mittlerweile nicht einmal mehr von seiner eigenen Partei. Er könne "als kleiner Bezirkschef" nicht gegen die ganze Welt kämpfen, waren seine beleidigten Worte, die die Entscheidung begründen sollten. Sein Profil ist also alles, was ihm bleibt. Solange es Schreiber gibt, wird es Zäune geben. Fragt sich nur, in welcher Form.

Für unsereins mag es wie eine verkehrte Welt wirken, wenn ein SPD-Bezirksamtsleiter Obdachlose vertreibt und vom CDU-Fraktionsvorsitzenden und Ex-Sozialsenator dafür eine scharfe Rüge kassiert. In Schreibers Welt aber wiegt das "S" seiner Partei offenbar nicht so schwer wie seine Profilneurose.

Etwas Gutes hat er, gänzlich unfreiwillig, dann doch bewirkt: Es wird wieder geredet über die fast 1.000 Obdachlosen in der Stadt - und in ihrem Sinne demonstriert.

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Emilia Smechowski
sonntaz-Redakteurin
Geboren 1983 in Polen, seit 2009 bei der taz. Erst im Panter-Workshop, dann im Volontariat bei der taz Nord in Hamburg, heute sonntaz-Redakteurin. Studierte Operngesang und Sprachen in Berlin und Rom. Schreibt über gesellschaftliche und politische Themen.
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2 Kommentare

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  • PG
    Phil Graumann

    Interessant der Standpunkt dieses Obdachlosen, von dem auch ich mir erzählen ließ, wann hier was passierte, und wie es soweit kommen konnte.

     

    http://www.youtube.com/watch?v=SqGbyzvCTlo

     

    Im Übrigen war ich beeindruckt, er entschuldigte sich am Anfang unseres Gesprächs vorbeugend für sein Alkoholproblem und seine "Fahne".

    Er wirkte auch angetrunken selbstreflektiert und rücksichtsvoll.

    Man hätte sich die Mühe machen müssen, auch in diesem Milieu etwas detailreicher zu ermitteln.

     

    Haben sie nicht das Recht auf Unschuldvermutung?

    Werden sie als persönlich Unschuldige kriminalisiert und vertrieben, dann kann das im schlimmsten Fall Kriminalität und Konflikte fördern, dort, wohin man sie vertreibt, in den neuen Randbezirken!

    Oder nennen wir sie dann bald Slums?

     

    Nach einer Vertreibung bleiben sozial schwache Menschen nicht nur arm, Sie werden zusätzlich auch noch entwurzelt.

    Sie verlieren ihr soziales Umfeld, das immer auch soziales Verhalten festigt, untereinander... Mitmenschen gegenüber, die man kennt.

     

    Und gerade auf St.Pauli (Einwohner) ist man traditionell sehr tolerant, und unvoreingenommen bis warmherzig diesen Randständigen gegenüber, dass macht das Viertel für sie so heimatlich.

     

    Nur die Touristen und Tagesbesucher aus anderen Stadtbezirken sehen das oft anders. Aber auch sie könnten dort auf den zweiten Blick lernen, ihre Vorurteile abzubauen.

    Bleibt die Frage, welchen Standpunkt nimmt der Bürgermeister Olaf Scholz in der Sache ein?

    Das Thema ist bundesweit in den Medien und bewegt die Stadt wie lange nicht mehr.

     

    Schreibers schwarz/weiss-Malerei spaltet, ich liebe die bunte, weltoffene Stadt Hamburg.

    Tolerant und undogmatisch differenzierend, integrierend, das war und sollte ihr Image bleiben!

    Ich ahne, dass das die Politik immer anspruchsvoll gestaltet, aber den Titel "Tor zur Welt" muss man täglich verteidigen, sonst muss man sich bald "Schleuse zur Welt" nennen.

     

    http://www.youtube.com/watch?v=SqGbyzvCTlo

  • PG
    Phil Graumann

    Interessant der Standpunkt dieses Obdachlosen, von dem auch ich mir erzählen ließ, wann hier was passierte, und wie es soweit kommen konnte.

     

    http://www.youtube.com/watch?v=SqGbyzvCTlo

     

    Im Übrigen war ich beeindruckt, er entschuldigte sich am Anfang unseres Gesprächs vorbeugend für sein Alkoholproblem und seine "Fahne".

    Er wirkte auch angetrunken selbstreflektiert und rücksichtsvoll.

    Man hätte sich die Mühe machen müssen, auch in diesem Milieu etwas detailreicher zu ermitteln.

     

    Haben sie nicht das Recht auf Unschuldvermutung?

    Werden sie als persönlich Unschuldige kriminalisiert und vertrieben, dann kann das im schlimmsten Fall Kriminalität und Konflikte fördern, dort, wohin man sie vertreibt, in den neuen Randbezirken!

    Oder nennen wir sie dann bald Slums?

     

    Nach einer Vertreibung bleiben sozial schwache Menschen nicht nur arm, Sie werden zusätzlich auch noch entwurzelt.

    Sie verlieren ihr soziales Umfeld, das immer auch soziales Verhalten festigt, untereinander... Mitmenschen gegenüber, die man kennt.

     

    Und gerade auf St.Pauli (Einwohner) ist man traditionell sehr tolerant, und unvoreingenommen bis warmherzig diesen Randständigen gegenüber, dass macht das Viertel für sie so heimatlich.

     

    Nur die Touristen und Tagesbesucher aus anderen Stadtbezirken sehen das oft anders. Aber auch sie könnten dort auf den zweiten Blick lernen, ihre Vorurteile abzubauen.

    Bleibt die Frage, welchen Standpunkt nimmt der Bürgermeister Olaf Scholz in der Sache ein?

    Das Thema ist bundesweit in den Medien und bewegt die Stadt wie lange nicht mehr.

     

    Schreibers schwarz/weiss-Malerei spaltet, ich liebe die bunte, weltoffene Stadt Hamburg.

    Tolerant und undogmatisch differenzierend, integrierend, das war und sollte ihr Image bleiben!

    Ich ahne, dass das die Politik immer anspruchsvoll gestaltet, aber den Titel "Tor zur Welt" muss man täglich verteidigen, sonst muss man sich bald "Schleuse zur Welt" nennen.

     

    http://www.youtube.com/watch?v=SqGbyzvCTlo