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Kommentar GuantanamoMerkel läßt sitzen

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Zurzeit reisen Delegationen aus Europa nach Guantanamo. Dass die Bundesregierung nicht einmal zu erwägen scheint, die Guantanamo-Flüchtlinge aufzunehmen, ist ein Skandal.

M an darf sich das so vorstellen wie im Tierheim, wo das Kind mit seinen Eltern steht und überlegt, welcher Hund wohl am besten nach Hause passt und bestimmt nicht beißt, welches Schicksal auch immer er zuvor hatte. Ein geknicktes Ohr darf er aber haben. Der sarkastische Vergleich liegt jedenfalls nahe, wenn man hört, wie europäische Delegationen nach Guantánamo reisen und sich dort Häftlinge aussuchen, die sie aufnehmen könnten.

Doch ist es ein Skandal, dass die Bundesregierung dies nicht einmal zu erwägen scheint. Gut 50 der etwa 200 noch in den menschenrechtswidrigen Lagern von Guantánamo einsitzenden Männern ist nichts strafrechtlich Relevantes vorzuwerfen. Sie sitzen unschuldig dort. Sie können nicht in ihre Heimatländer, Unrechtsstaaten wie Libyen und Syrien, zurück.

US-Präsident Barack Obama hat keine rechtliche Handhabe mehr, sie in den USA anzusiedeln. Europa hat zugesagt, ihm zu helfen. Auch Kanzlerin Angela Merkel hat versprochen, dass sie bei der Auflösung Guantánamos mitmachen werde. Doch nichts geschieht. Deutschland bewegt sich einfach nicht. Obama muss feststellen, dass Deutschland ihn noch nicht einmal mit der kleinsten humanitären Geste unterstützt.

privat

Ulrike Winkelmann ist Redakteurin im Inlandsressort bei der taz.

Dabei gibt es hier eine neue Regierung: Von Guido Westerwelles Vorgänger Frank-Walter Steinmeier war nach dem Fall Murat Kurnaz nichts mehr zu erwarten. Der heutige Außenminister aber kommt aus der Partei, in der zumindest einige prominente Mitglieder an Bürgerrechte glauben. Der neue Innenminister Thomas de Maizière trat an, Wolfgang Schäubles Erbe der neurotischen Sicherheitsfixiertheit aufzulockern. Auch er hätte nun Gelegenheit, dies zu beweisen. Deutschland muss einfach einige Häftlinge aufnehmen. Und seien es nur zwei oder drei.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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9 Kommentare

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  • KB
    karin bryant

    Also, wenn es sich hier um Insassen eines Tierheimes handeln wuerde sollten wir die aufnehmen.Aber die Gitmos Insassen sind eine ganz andere Kathegorie und sollten wenn sie unschuldig sind in die USA gebracht werden aber Deutschland sollte sie auf keinen Fall ins Land holen.Das ist eine ganz klare US Sache. Deutschland hat schon jetzt zu viele 'Auffaellige' die vom BKA beobachtet werden weil man ihnen zutraut gefaehrlich zu sein.... Denke davon muessen wir keine importieren.

  • H
    hoko

    Es ist ganz einfach:

     

    - Wenn die Guantanamo-Insassen ungefährlich sind, dann sollen sie nach Idaho, Oregon oder Rhode Island. Guantanamo haben sich die Amerikaner eingebrockt und solles es auch auslöffeln.

     

    - Wenn die Guantanamo-Insassen nicht ungefährlich sind, dann sollen sie erst recht nicht nach Deutschland.

     

    Also: Es besteht keine Notwendigkeit, irgendjemanden aus Guantanamo in D aufzunehmen.

  • K
    Kramski

    Wenn die USA als Täter ihre unschuldigen Opfer nicht aufnehmen-wieso Deutschland? Aus Vasallengefolgschaft? Wo ist da ein Skandal bitteschön?

  • ES
    Elke Scheurich

    Krass! Danke für das Aufmerksammachen.

    Wenn es um kriegerische Einsätze geht, ist Germany gleich an der Front. Aber Humanismus ist z Zt Westerwelles auch nicht herzlich zu erwarten.. Aber auch unherzlich wäre nicht schlecht.

  • IN
    Ihr NameU. Bunge

    Es ist doch einfach und eindeutig,wenn man nicht mit ein paar Milllonen Steuergeldern was änder kann oder möchte,dann.....; schweigt man es tot!

    Die Häftlinge,damals im 2. Weltkrieg bei den Nazis oder heute in anderen Kerkern...

    Ganz einfach was ich nicht sehe oder höre ist nun mal nicht da und war auch nicht da,oder?

  • M
    Myself

    Die Haltung der Bundesregierung, nicht abstrakt über die generelle Aufname von Inhaftierten zu entscheiden ist in meinen Augen sowohl richtig, als auch weise.

     

    Das Teilen der "Insassen" nichts vorzuwerfen ist, ist wohl unbestritten. Die Überlegung über konkrete Aufnahmen kann trotzdem nur im Einzelfall erfolgen.

  • FT
    Fritz Teich

    Wenn jemand von einer neurotischen Bundesinnenminister schreibt, weil er sachlich bleibt, braucht man den Autor nicht ernstzunehmen. Es geht uns nicht an!

  • V
    vic

    "Die Guantanamo-Politik der Bundesregierung ist skandalös"

    Ja vor allem die Guantanamo-Politik dieser Pain in the Neck-Regierung.

    Aber nicht nur diese.

  • R
    Raphael

    Dies würde aber auch bedeuten, dass wieder Menschen nach Deutschland geholt werden, die Geld kosten.Sie werden traumatisiert sein, entsprechende Betreuung brauchen, wahrscheinlich erstmal nicht arbeitsfähig sein, die deutsche Sprache nicht beherrschen und damit dem Staat zur Last fallen.

     

    Wie kann das unsere Regierung einem Volk erklären, dass sich gerade darüber streitet, ob man HartzIV-Empfänger lieber ins Arbeitslager steckt oder gleich auf der Straße verhungern lässt, weil sie einfach Steuergelder kosten.

     

    Und da aufgrund der Geschichte von Khaled al-Masri die Opfer des amerikanischen ..Krieges gegen den Terror.. eh nur verrueckte sind, die nur straffaellig werden, will der deutsche Michel nur keine Neuen ...von der Sorte...