Kommentar Guantánamo-Tagebuch: Ein bedrückendes Dokument
Das Tagebuch des Mohamedou Ould Slahi ist das einzigartige Zeugnis eines Gefangenen, der noch immer im US-Militärlager auf Kuba festgehalten wird.
D as Tagebuch des Mohamedou Ould Slahi, das seit gestern in 16 Sprachen im Handel ist, bedrückt. Es ist ein einzigartiges Dokument, dieses Tagebuch eines Guantánamo-Insassen – nicht nur, weil es das einzige Zeugnis eines Gefangenen ist, der noch immer im US-Militärlager auf Kuba festgehalten wird. Zeigt der US-Senatsbericht über die CIA-Foltermethoden die – reflektierende – Sicht der Großmacht auf sich selbst, beschreibt dieses Tagebuch die Gegenseite, die Sicht des Opfers auf einen für ihn nun schon rund 14 Jahre andauernden Rechtsbruch.
Es ist zwar innenpolitisch zu erklären, warum aus der Ankündigung von Barack Obamas erstem Amtstag, das Lager auf Guantánamo schließen zu wollen, nichts geworden ist. Eine Schande ist es dennoch. Beschreibt der CIA-Bericht Praktiken, die inzwischen der Vergangenheit angehören, dauert die Tragödie von Guantánamo an. Das eine wird nicht bestraft, das andere nicht beendet. Es muss sich niemand wundern, wenn ein westlicher Diskurs über Menschenrechte in immer größeren Teilen der Welt nicht mehr ernstgenommen werden kann.
So wie die US-amerikanische und die europäischen Regierungen aufgefordert sind, die Verantwortlichen für die Jahre der CIA-Folter vor Gericht zu stellen, so kann es für Guantánamo nur eine Lösung geben, die den USA wenigstens die Chance eröffnen würde, in den Kreis der glaubwürdigen Rechtsstaaten zurückzukehren: Sofortige Schließung des Lagers und Freilassung all jener, gegen die kein Strafverfahren eröffnet wird.
Hätte Mohamedou Ould Slahi je vor einem ordentlichen Gericht gestanden, er wäre längst ein freier Mann. Würde es darüber hinaus mit rechten Dingen zugehen, stünden ihm vermutlich Millionenbeträge an Haftentschädigung und Schmerzensgeld für erlittene Folter zu. Stattdessen sitzt er immer noch in Guantánamo.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an