Kommentar Grünen-Parteitag: Schluss mit den Spielchen
Renate Künast erst durchfallen lassen und dann doch wählen ist erstens parteischädigend und zweitens inkonsequent.
S o sind sie eben, die Grünen.“ Dieser Satz war am Samstag mehrfach zu hören – mal stolz, mal frustriert. Man kann es natürlich klasse finden, was da beim Parteitag der Grünen passiert ist: Die Basis stellt der großen Renate Künast ein Bein und macht deutlich, wer das Sagen hat. Man kann es aber auch für parteischädigend und inkonsequent halten. Erstens schienen sich die Grünen nach der Selbstzerfleischung im Herbst gerade gefangen zu haben. Zweitens war mit Beinstellen auch nicht viel – weil die sich so kritisch gebende Basis Künast letztlich doch wählte.
Ein derartiges Abstrafen von Künast für Wahlkampffehler kommt viel zu spät. In den Monaten nach der Abgeordnetenhauswahl gab es Mitgliederversammlungen, einen tumultartigen kleinen Parteitag, ungezählte Diskussionen. Im Januar stimmten dieselben, die Künast nun abwatschten, mit großer Mehrheit dafür, den Blick nach vorn zu richten. All die, die nun Künast ihre Stimme versagten – wo waren die im Januar? Da stand keiner auf und sagte: Wer so viel Mist gebaut hat, soll keine führende Funktion mehr ausüben. Da fehlte, was auch Parteichef Wesener am Samstag vermisste: der Anstand, Kritik im Vorfeld zu äußern.
Spielchen der Kritiker
Gut, kann man sagen, deshalb sind Wahlen ja nicht nur frei, direkt und allgemein, sondern auch geheim – damit man seinen Frust ganz für sich auf einem Wahlzettel ausleben kann. Doch statt dann auch so konsequent zu sein, die Sache durchzuziehen und Künast endgültig durchfallen zu lassen, spielen die Kritiker Spielchen. Künast mag so manchen Fehler gemacht haben. Aber so sollte keine Partei mit ihrem Spitzenpersonal umgehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt