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Kommentar GriechenlandInselstaat im Ausverkauf

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Griechenland ist nicht nur vorübergehend zahlungsunfähig, sondern dauerhaft bankrott. Selbst wenn die Schulden zur Hälfte erlassen würden, wäre es nicht wettbewerbsfähig.

G riechenland ist bankrott. Die Wirtschaft ist nicht wettbewerbsfähig, das Land beschäftigt zu viele Staatsbedienstete, die Reichen zahlen zu wenig Steuern, und die Korruption wuchert in jedem Behördenwinkel. Aber was folgt aus dieser Diagnose, die selbst viele Griechen teilen?

Beliebt ist momentan die Idee, das griechische Staatsvermögen zu verkaufen, das 300 Milliarden Euro betragen soll. Damit wären die Staatsschulden, die sich auf etwa 350 Milliarden belaufen, wie von selbst bezahlt.

Bei einem so einleuchtenden Vorschlag drängt sich allerdings die Frage auf, warum er nicht schon viel früher verfolgt wurde? Die Antwort ist so banal wie die Idee: Buchwerte sind eben nicht das Gleiche wie Verkehrswerte. Es mag ja sein, dass der griechische Staat noch viele Grundstücke besitzt - aber wer sollte die jetzt teuer kaufen wollen, wenn das Land gerade in eine Rezession abstürzt?

Bild: taz

ULRIKE HERRMANN ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Griechenland ist nicht nur vorübergehend zahlungsunfähig, sondern dauerhaft bankrott. Selbst wenn die Staatsschulden zur Hälfte erlassen würden, wäre Griechenland immer noch nicht wettbewerbsfähig. Es würde neue Defizite anhäufen.

Auf dieses strukturelle Problem reagieren die EU und der internationale Währungsfonds nur ad hoc: Alle drei Monate werden die Sparanstrengungen in Athen kontrolliert. Gegen diese Überwachung ist nichts zu sagen, denn die griechische Verwaltung muss effektiver werden. Aber selbst mit einer schlagkräftigen Steuerfahndung wäre Griechenland bankrott.

Reine Kontrollen reichen nicht - und schon gar nicht sollten sie dazu dienen, politische Entscheidungen zu vermeiden. Die EU muss ihren Bürgern endlich erklären, dass die Rettung Griechenlands teuer und langwierig wird.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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7 Kommentare

 / 
  • NN
    Nicolas Neuß

    Ich kann mich noch erinnern, dass Frau Herrmann uns vor einem Jahr weismachen wollte, die Rettung Griechenlands bringe uns nur Profit und Zinsen.

     

    Jetzt ist Griechenland also angeblich bankrott und auch eine Schuldenschnitt um 50% brächte nichts.

     

    Abgesehen davon, dass man auf diese Aussage wahrscheinlich genauso wenig wie auf die vor einem Jahr bauen kann: dann muss man eben die Schulden zu 100% abschreiben. Und ERST WENN DAS AUCH NOCH NICHT HILFT, sollte man über irgendwelche anderen Hilfsgelder nachdenken.

  • I
    iquique

    @ Karl Krise,

     

    alle Punkte die Sie auflisten zur Erklaerung der Probleme Griechenlands haben absolut nichts mit dem Euro zu tuen.

     

    Das Problem der EU liegt daran, dass der Geist der Deregulierung sich so umfassend durchgesetzt hat, das politische Strukturen blind geworden sind fuer notwendige wirtschaftspolitische Gestaltung und Korrekturen von Fehlverhalten, sowohl auf EU Ebene als auf nationaler griechischer Ebene.

     

    Kleinkarierte, ideologische Hetze gegen EU und Euro helfen hier nicht weiter. Und: Wenn Griechenland angeblich nicht gerettet werden kann (ob das nun langfristig oder kurzfristig nicht moeglich ist sei irrelevant) wie sieht dann die folgerichtige 'Nichtrettung' ihrer Meinung nach aus? Griechenland wird dann einfach Zahlungsunfaehig, was dem Schuldenschnitt auffaellig aehnelt.

     

    Ich empfehle die eigenen Argumente zu Ende zu denken, bevor man hier in Kommentaren wild um sich schlaegt!

  • A
    Apollo

    Nein, Karl Krise, die Beamten zahlen keine Steuern. Im Gegenteil, die leben davon.

     

    @Hasso

    Du hast ja sooo recht.

  • M
    Mirko

    Wttbewerb, Wettbewerb... können wir vielleicht auch einmal über die Menschen reden...?

     

    Manchmal wünscht man sich doch die Soviet Union zurück...

  • S
    Sozialist

    Wir zahlen nicht für eure Krise!!

  • H
    Hasso

    Das passiert wenn man Angst vor den Millionären und Milliardären hat! Um bei den Rating Agenturen gut dazustehen braucht man viele von diesen Individuen.Und weil man die schont , muss man aber mehr ins Soziale investieren-, das wiederum passt den Rating-Agenturen

    genauso wenig. Ein Teufelskreis also. Erst einmal die Rating-Agenturen abschaffen. Hat man ständig "ein Krokodil im Rücken" kann man sich kein Zelt aufbauen.Dazu müsste man aber den USA imperealistischen Kapitalismus, der ja der Grund allen Übels ist abschaffen und nicht warten bis der die ganze Welt zerstört.Der Egoismus der USA und deren Epigonen stürzen die Welt in den Ruin. "Der Freie Markt" wird eben nicht alles richten, sondern hinrichten. Das Problem, das wir hier haben, ist die ausufernde Gier der Nimmer-Satten.Immer wieder wird betont, dass man Unsummen für's Soziale ausgibt. Man sollte sich fragen: Warum-, hat man dass nicht so gewollt? Der Zug ist aber bereits abgefahren-, man kann nur noch auf seine Entgleisung warten.

  • KK
    Karl Krise

    Frau Ulrike Hermann,

     

    "das Land beschäftigt zu viele Staatsbedienstete"

    Ich meine der Staat beschaeftigt zu wenig qualifizierte und kompetente Mitarbeiter und viele Chefs dienen zuallerst der Familie und Freunden und nicht dem Staat.

     

    "die Reichen zahlen zu wenig Steuern"

    Nicht nur Reiche, alle Freiberufler und Unternehmer versuchen den Fiskus zu umgehen. Einzig Beamte, Arbeiter und Angestellte zahlen entsprechende Steuern.

     

    "die Korruption wuchert in jedem Behördenwinkel"

    30-50% der Griechen sind korrupt, das betrifft Privat ebenso wir Oeffentlich.

     

    "Die EU muss ihren Bürgern endlich erklären, dass die Rettung Griechenlands teuer und langwierig wird"

    Meinen sie das im ernst? Die EU sollte doch bitte ihren Buergen endlich erklaren das sie gleich auf mehreren Ebenen elendig versagt hat und das der Euro eine Fehlkonstruktion ist. Kommen sie mir bitte nicht mit dem Maerchen der Griechenland Rettung. Das einzige was bis jezt gerettet wurde ist das Geld der "Glaeubiger" und nicht Griechenland!