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Kommentar Greenpeace-AktivistenAmnestie für Rowdys

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Die Greenpeace-Aktivisten sind keine Piraten mehr, sondern nur noch Rowdys. Russland versucht verzweifelt, einen Gesichtsverlust zu vermeiden.

Eine der Aktivistinnen bei einer Anhörung in Murmansk. Bild: dpa

D ass Russlands Strafverfolgungsbehörden die inhaftierten 30 Greenpeace-Aktivisten nur noch als „Rowdys“ und nicht mehr als „Piraten“ werten, dürfte bei Greenpeace keine Freudenstürme ausgelöst haben. Die Aussicht auf maximal sieben statt der befürchteten 15 Jahre Haft ist nicht wirklich ein Trost.

Möglicherweise wurde der Vorwurf der Piraterie fallengelassen, weil man eine Verurteilung wegen „Rowdytums“ für juristisch weniger angreifbar hält. Auch ein russisches Gericht könnte sich der Sichtweise der Greenpeace-Anwälte anschließen, dass die Gazprom-Plattform kein Schiff, sondern eine künstliche Insel ist – und dann wäre der Vorwurf der „Piraterie“ haltlos. Mit einer derartigen Einschätzung wäre das Gericht auf der sicheren Seite, hatte doch auch Präsident Putin verlauten lassen, dass die Greenpeacer keine Piraten seien.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass man in Russlands Regierung inzwischen verzweifelt nach einem Weg sucht, diese Krise ohne Gesichtsverlust zu beenden. Mit der geänderten Anklage sind drei Szenarien einer Freilassung der Aktivisten noch in diesem Jahr vorstellbar: Angesichts des geänderten Vorwurfs muss neu über die Untersuchungshaft entschieden werden. Die Aktivisten könnten so bis Prozessbeginn freigelassen werden mit der Auflage, Russland nicht zu verlassen.

Russland könnte die Aktivisten aber auch kurz vor dem Urteilsspruch des Internationalen Seegerichtshofes freilassen und sich so eine Blamage auf der internationalen Bühne ersparen. Möglich ist auch ein drittes Szenario, dem zufolge die angeblichen „Hooligans“ unter die anlässlich des 20. Jahrestages der Verfassung geplante Amnestie fallen. Dann wären die Umweltschützer spätestens am 12. Dezember auf freiem Fuß. Als „Piraten“ hätten die Greenpeacer keine Chance gehabt, amnestiert zu werden.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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6 Kommentare

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  • D
    derSchreiber

    Warum bitte regen sich alle so auf? Wer unbefugt den Boden eines anderen betritt, begeht eine Straftat.

    Das ist in Deutschland so, und in jedem anderen Land auch.

    Wer dann so etwas in einem Staat wie Russland tut, der muss auch mit den entsprechenden Strafen rechnen.

    BP würde Greenpeace-Aktivisten die eine Bohrinsel in der Nordsee oder im Golf von Mexiko stürmen, sicher nicht mit einem Obstkorb verabschieden. Aber da die Leute von Greenpeace sind, haben sie natürlich keine Straftat begangen, nein, die haben natürlich alles richtig gemacht.

    • @derSchreiber:

      Also ich rege mich auf, weil friedliche Protestaktionen nicht im Gefängnis enden sollten. Ich rege mich auf, weil die russischen Behörden einfach ein Schiff in internationalen Gewässern kapern und die gesamte Besatzung einsperren. Ich rege mich auf, weil, außer Greenpeace, kaum jemand etwas gegen das völlig wahnsinnige Verhalten der Ölindustrie unternimmt. Ich rege mich auf, weil plötzlich alle Law-And-Order-Moralisten so tun, als wären die Aktivisten Schwerverbrecher, obwohl diese nichts getan haben, was schwerere Sanktionen als Bußgelder mit sich bringen sollte. Ich rege mich auf, weil plötzlich alle möglichen Laien und Experten in Artikeln wie Leserkommentaren ihren Senf dazu geben, ohne mit den Fakten vertraut zu sein.

  • V
    volki

    Die Russen zeigen den Greenpeace Aktivisten nur die rote Karte!

     

    Umweltaktivisten haben sich auch an Gesetze zu halten und können nicht machen was sie wollen...

     

    Im übrigen ist Greenpeace auch nur ein Konzern der an seine Pfründe denkt, das merkt man wenn man näher investagtiv das Geschäft Greenpeace betrachtet!

    • @volki:

      Die Welt zeigt Russland nur die rote Karte!

       

      Staaten haben sich auch an Gesetze zu halten und können nicht machen was sie wollen...

       

      Im übrigen ist Gazprom nur ein Konzern der an seine Pfründe denkt, das merkt man wenn man näher investagiv das Geschäft Gazprom betrachtet!

       

      PS: Würden sie bitte ihr Geheimwissen bezüglich "Geschäft Greenpeace" mit der Öffentlichkeit teilen? Danke!

  • "Wahrscheinlicher ist jedoch, dass man in Russlands Regierung inzwischen verzweifelt nach einem Weg sucht, diese Krise ohne Gesichtsverlust zu beenden." Russland macht sich also Sorgen um sein Ansehen. Das zu glauben ist ja noch viel absurder als alle Handlungsbegründungen die die Russen bislang vom Stapel gelassen haben. Russland hat inzwischen ein Abo auf derartiges nach Maßstab von demokratischen Staaten irrationales Handeln- die haben jetzt Narrenfreiheit. Sorgen um sein Ansehen müsste es sich wohl machen wenn es neuerdings völlig gegensätzlich handeln würde. Und Putin wird wie üblich keine Miene verziehen.

    • @ingrid werner:

      Warten wirs ab, Russland ist in dieser Hinsicht möglicherweise weiter als die USA.

      Was natürlich nur begrezt zum Kompliment taugt. Ich würde mir wünschen, beide Länder würden humaner agieren.